Lektion 1: Schreiben mit allen Sinnen
Bevor wir beginnen
Bevor wir anfangen, suchen Sie sich bitte eines der folgenden Themen aus und schreiben Sie darüber einen etwa eine DIN A 4 Seiten langen Text
1. So war mein Tag – Was ich heute getan habe,
2. So wohne ich – ein Gang durch die Zimmer meines Hauses
3. So arbeite ich – meine Arbeitsstätte, meine Kollegen, meine Aufgaben
4. Das ist mein Hobby – das mache ich in meiner Freizeit
Bei dieser Übung geht es darum, etwas über Ihren Alltag und über Ihre Art zu schreiben zu erfahren. Das ist keine Prüfungsaufgabe. Sie sollten deshalb möglichst so schreiben, wie Sie es gewohnt sind; ohne sich zu verbiegen oder zu verkrampfen. Die Übung soll einfach nur helfen, so etwas wie einen Ist-Zustand zu bestimmen, auf dem wir dann aufbauen können.
Also schreiben Sie bitte einfach drauflos.
Jeder, der je geschrieben hat, wird gefunden haben, dass Schreiben
immer etwas erweckt, was man vorher nicht deutlich erkannte,
ob es gleich in uns lag.“
Georg Christoph Lichtenberg
Aphorismen, Aufzeichnungen „Sprüche“ (1764-1771)
- Schreiben mit undf für alle Sinn
Ziel der 1. Lektion
Texte so anschaulich und plastisch gestalten, dass der Leser Ihre Eindrücke von einem Erlebnis, einem Ereignis oder einer Erkenntnis nachvollziehen kann.
Tauchen Sie ein in die Welt der Sinne
Mit und für alle Sinne schreiben? Das setzt voraus, dass wir die Reize unserer Umwelt bewusst wahrnehmen. Aber meist tun wir das genaue Gegenteil. Wir verschwenden Stunden damit, unsere Sinne abzustumpfen. Wir verschließen unsere Ohren mit einer Dauerbeschallung aus Musik und Worten, wir setzen unsere Sehnerven einem Blitzlicht-Gewitter aus schnell geschnittenen Bilden aus, die nicht informieren sollen, sondern nur als Augenreiz gedacht sind und wir „beleidigen“ unsere Zunge mit industriell gefertigten Schnellgerichten.
Die meisten Menschen in unserem Umfeld tragen eine Duft-Maske, die unserer Nase den wahren Geruch verheimlichen soll. Und wann bitte, haben Sie das letzte Mal bewusst die erotische Spannung einer Berührung wahrgenommen?
Schreiben setzt bewusste Wahrnehmung voraus. Tauchen Sie wieder ein in ihre eigene „sinnliche Welt“. Und entdecken Sie das Exotische im Abenteuer Alltag.
Ich rieche nichts
Mein Gott, war ich stolz – meine erste Reportage, eine Auslands-Reportage über eine Partnerstadt im Süden Frankreichs. Ich hatte die Tastatur buchstäblich zum Pinsel gemacht und mit Worten diese windschiefen Altstadtgassen, das Gekreisch der Möwen am Hafen, die Bistros mit den bunten Flatterbändern am Eingang gemalt. Und dann dieser pechschwarze Kaffee gepriesen, in dem der Zuckerlöffel stehen bleibt, dazu ein knackfrisches Baguette, das zwischen den Fingern krümelt. Oh Frankreich, mon amour!
„Ganz hübsch“, meinte meine damalige Chefin Nicole Güth. Und das durfte ich getrost als „mangelhaft, umschreiben!“ verstehen: „Ganz hübsch, aber ich rieche nichts.“
Ich hatte versucht zu beschreiben, was ich sah, was ich hörte, was ich fühlte und schmeckte, aber ich hatte die Nase vergessen. Natürlich nimmt man über Augen und Ohren die meisten Informationen auf, aber eine solche Reportage soll den Leser ja teil-haben lassen an Erlebnissen; er soll das Gefühl haben, dabei gewesen zu sein. Wie kann er das, ohne zu riechen, wie das frische Baguette aus der nahen Patisserie duftet, ohne dass ihm diese einzigartige südfranzösische Duft-Mischung aus Teer und Lavendel, Salzwasser und Rosmarin, totem Fisch und Chanel Nr. 5 in die Nase steigt?
Überzeugen per Duft
Zum Glück macht man Fehler und – lernt daraus. Heute wissen wir, welch starke Gefühle Düfte auslösen können. „Die Überzeugungskraft des Duftes ist nicht abzuwehren, sie geht in uns hinein wie die Atemluft in unsere Lungen, sie erfüllt uns, füllt uns vollkommen aus, es gibt kein Mittel gegen sie“, schreibt Patrick Süsskind in „Das Parfüm“.
Es gibt einen Grund für diese „Erfüllung“. Er sitzt in der oberen Nasehöhle. Das schleimige Gebiet heißt „regio olfactoria“ und verfügt über rund zehn Millionen Riechzellen. Das ist viel, aber wenig im Vergleich mit einem Hund, der rund 230 Millionen dieser Zellen besitzt.
Der Geruchssinn sorgt dafür, dass Säuglinge die Brust der Mutter schon wenige Tage nach der Geburt erkennen. Die Nase sorgt dafür, dass wir einen Menschen wirklich „gut“ (oder nicht) riechen können. Das Gedächtnis speichert Gerüche und verbindet sie mit Emotionen. Mit Lust und Liebe, mit, Begierde und Abneigung, mit Land und Leuten, mit Wohlgefühl und Ekel, mit Krankheit und Tod.
Selbst wie es um eine Beziehung steht, kann die Nase deutlich machen. Der US-amerikanische Publizist Sol Stein sei mein Zeuge:
„Malcolm kam zur Hintertür herein, den Football in der Armbeuge, auf seinem Sweatshirt ein dunkler Schmetterling aus Schweiß. Er legte den Football weg und schlang die Arme um mich. Ich schloss die Augen und konnte die Erde des Sportplatzes und den typischen Duft riechen, den ich mit seiner Gegenwart assoziierte.“[1]
Die Augen bestimmen zunächst, ob wir uns in jemanden verlieben, doch je näher wir uns kommen, desto mehr dirigiert die Nase, wo es lang geht, fasst Ingelore Ebberfeld nach zahlreichen Interviews zu erotischen Geruchserinnerungen ihre Erkenntnisse in “Körperdüfte“ zusammen. Hier zum Beispiel die Erinnerungen eines 22jährigen Mannes:
„Ich liebe den Körpergeruch meiner Freundin und auch den »Mundgeruch«, der ein sehr eigentümlicher Geruch beziehungsweise Geschmack ist, nach gekocht armem Broccoli. Ihr Körpergeruch ist besonders am Halsansatz sehr intensiv, doch ich kann nicht beschreiben, wonach er riecht. Er erscheint mir wie ein Aphrodisiakum, und weil es so wunderbar riecht, bin ich während des Geschlechtsaktes zuweilen verlockt, in ihr »Fleisch« zu beißen.“[2]
Wahrnehmen und erzählen mit und für alle Sinne
Was heißt das – Wahrnehmung? Wir nehmen über unsere Sinne Reize (Stimuli) aus der Umwelt auf und führen sie mit den in unserem Inneren bereits gespeicherten Informationen zu einem neuen Gesamteindruck zusammen. So entsteht aus optischen, akustischen, olfaktorischen, gustatorischen und haptischen Reizen ein – natürlich sehr subjektives -„Bild“ der Wirklichkeit.
Der Erzähler verwandelt das „Sinnen-Bild“ in Sprache und der Leser wandelt die Sprache in ein eigenes „Bild“ um; nicht ohne seine eigene Prägung, seine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse, einzubeziehen.
Es gibt also zwei Filter, die für die Wahrnehmung entscheidend sind. Der erste Filter ist der Autor, der – je nach eigenen Interessen – vor allem Dinge in seinem Umfeld wahrnimmt, die ihn persönlich ansprechen und interessieren. Wer ein Faible für Architektur hat, wird eine Stadt anders sehen als eine Frau, die nach modischen Schuhen Ausschau hält. Der Leser wiederum wird 2. vermutlich die präzise Beschreibung des innerstädtischen Ensembles überblättern, weil er Architektur langweilig findet und eigentlich nur wissen will, wie die Geschichte insgesamt weitergeht oder er passt die Wahrnehmung des Autors seinem eigenen inneren „Vor-Bild“ an.
Der Autor kann seiner Erzählung nur den „eigenen Herzschlag“ (Ludwig Reiners [3]) mitgeben und hoffen, dass der Leser ähnlich „tickt“, dass er ihn mit-nehmen kann, dass er ihn teil-haben lassen kann, an dem, was ihn beeindruckt hat, was ihm wichtig ist.
Augen-Blicke
Nicht nur für Johann Wolfgang von Goethe ist das Auge das Organ, mit dem wir die „Welt fassen“. Niemand, sagt Stil-Guru Ludwig Reiners, lernt schreiben, der nicht sehen gelernt hat.
Der „Erzähler setzt Worte“, die so plastisch sind, dass man sie genauso“ gut malen als drucken“ könnte. Mit diesem Lob soll Jean Paul seinen Schriftsteller-Kollegen Moritz August on Thümmel (+ 1817) bedacht haben. Bis wir uns ein solches Kompliment verdient haben, werden wir wohl noch etwas üben müssen; nicht zuletzt „sehen üben“.
Der Mensch ist ein Augentier. Fast die Hälfte seiner Wahrnehmungen beruht auf Augen-Reizen. Aber verarbeiten wir auch wirklich, was wir sehen? Verknüpfen unsere Synapsen wirklich einen realistischen Eindruck oder speichern wir vielmehr ein Klischee dessen ab, was wir sehen?
Prüfen Sie sich einmal selbst (vor allem, wenn Sie ein Mann sind): Trug die Frau, die Ihnen gerade vorgestellt wurde, einen Ohrring? Hatte die Politesse, der sie gerade einen Strafzettel verdanken, blonde oder schwarze Haare? War der Kellner, der Ihnen das Essen servierte, eher groß oder mittelgroß? Welche Farbe hat der 20-Euro-Schein, mit dem Sie bezahlt haben? Haben wir ein Bild vor Augen oder die Vorstellung von einem Bild?
Linkes Hirn, rechtes Hirn
Malen Sie doch einfach mal ein Pferd oder einen Hund? Wie detailreich ist Ihre Zeichnung? Oder ist sie eher abstrakt? Falls die Malerei wenig konkret ist, an was liegt das? An unserer Erziehung, die analytische Fähigkeiten höher bewertet als intuitive?
Wie auch immer: Wenn wir möchten, dass der Leser sich ein Bild von dem machen kann, was wir beschreiben, dann müssen die meisten von uns noch einmal in der Sehschule „nachsitzen“.
Perspektive wechseln
Um Details zu erkennen, hilft vielleicht, ein Blick aus einer anderen Perspektive. Stellen Sie einfach mal ein Foto auf den Kopf und versuchen Sie es dann zu beschreiben oder noch besser abzumalen? Sie werden erstaunt sein, wie viele Details Sie vorher übersehen haben.
Oder schauen Sie sich den Schauplatz ihrer Geschichte aus der Übungs-Anregung noch einmal genau an und überlegen Sie, wie Sie dieses Terrain ihren kriminellen Komplizen beschreiben würden, wenn Sie einen Überfall planen. Oder stellen Sie sich vor, Sie sollten einen Vorschlag machen, wie man diese Fläche städtebaulich/gärtnerisch optimieren könnte, Oder beschreiben Sie doch einmal Details des Schauplatzes, die als „Location“ für einen romantischen Film in Frage kämen.
Sie müssen herausfinden, was für ihren Eindruck so wichtig ist, dass der Leser es auch „sehen“ muss. Also: Was ist typisch, was ist charakteristisch für das, was wir vermitteln wollen? Wie können wir das „anschaulich“ schildern, ohne zu langweilen?
Beschreiben, nicht bevormunden
Mit Floskeln wie „Das Haus ist vernachlässigt“ fällen Sie ein Urteil, aber, ob ihnen der Leser folgt, hängt von dessen eigenem Wertesystem ab. Wir können ihm nur beschreiben, was uns zu dem Urteilt „vernachlässigt“ geführt hat; also beispielsweise abgeblätterte Farbe, Risse im Mauerwerk, blinde Fenster. Ob der Leser das ähnlich negativ sieht oder, ob er das Haus nach Ihrer Beschreibung vielleicht eher als „malerisch“, empfindet, als ein Haus mit Charakter und morbidem Charme – darauf haben Sie keinen Einfluss mehr.
Die Klopapier-Rolle im Auto Heck ist für Sie vielleicht ein Hinweis auf Spießigkeit, ihr avantgardistischer Leser sieht darin vielleicht eher ein ironisches Zitat. Vielleicht ist ihre Argumentation aber auch nur zu schwach und erst ein zweiter Hinweis auf Spießigkeit überzeugt den Leser von Ihrer Sicht der Dinge.
Sie sind der Anwalt/Staatsanwalt, der seine Argumente vorträgt. Der Leser ist der Richter – er entscheidet eigenständig. Er möchte überzeugt, nicht bevormundet werden. Sie liefern die Eindrücke, der Leser zieht daraus seine Schlussfolgerungen.
Also beschreiben Sie bitte die Wut einer Frau, deren Mann gerade einen Seitensprung gebeichtet hat, aber fällen Sie kein Urteil von der Art „die Frau ist wütend“. Lassen Sie Teller fliegen oder schildern Sie, „wie“ sich Hass und Verachtung in ihren Augen spiegelt.
Eindrücke sind Gefühle
„Ich bin nass geworden“, schrieb ein Student in einer Reportagen-Aufgabe. Was soll man dazu sagen? Bitte nächstens an einen Schirm denken oder hoffentlich haben Sie sich nicht erkältet. Wen interessiert das, für wen ist das wichtig?
Ich habe „Sie Ärmster“ an den Rand geschrieben, aber ehrlich gesagt, hielt sich mein Mitleid in Grenzen. Denn erstens hatte dieses „Erlebnis“ nichts mit dem Thema der Arbeit zu tun und zweitens entbehrt die Feststellung jeder Emotion. Wenn es denn für Ihren Text wichtig ist, dass Sie im Regen standen, dann schreiben Sie bitte nicht, dass es geregnet hat, sondern schildern Sie, wie die dünne Ölschicht auf der Straßenpfütze schimmert, wie ihnen das Wasser durch den Kragen rinnt oder wie sich die Spatzen unter die Dachrinne kauern.
Spätestens seit Ludwig Thoma in der Reimers „Stilfibel“ zitiert wurde, ist Thoma ein beliebter Kronzeuge, für „Schilderungen mit allen Sinnen“. Auch bei mir.
Schauen wir mal, wie der Schormayer nach einer Beerdigung im Regen nach Hause geht:
„Der Schormayer trat tiefe Löcher in die weiche Dorfgasse, wie er jetzt an dem trübseligen Herbstnachmittage heimging, aber er achtete nicht auf den glucksenden Lehm, der ihm an den Stiefeln hängenblieb.
Wenn er vom Wege abkam und beinahe knietief in den Schmutz trat, fluchte er still und lenkte in die Mitte der Straße ein, aber bald zog es ihn wieder links oder rechts an einen Zaun, und er blieb stehen und brummte vor sich hin:
»Nix mehr is, gar nix mehr.«
»Himmelherrgott! « sagte er, wenn ein Windstoß in die Obstbäume fuhr und ihm kalte Regentropfen ins Gesicht schleuderte. Ein Hund riss an der Kette und bellte ihm heiser nach; beim Finkenzeller öffnete die alte Mariann ein Fenster und rief ihm (etwas) zu. Der Schormayer hörte sie nicht; er bog scharf um die Hausecke und war nun bald, unverständliche Worte murmelnd, an der Einfahrt seines Hofes.
Die Spuren vieler Tritte waren noch sichtbar; sie liefen mitten über den geräumigen Platz bis zur Haustüre…, und bei ihrem Anblick raffte der Schormayer seine Gedanken wieder fester zusammen. »Da hamm s’ as raustrag’n. Ah mei! Ah was!«
(Aus: Der Wittiber[4])
Es ist alles drin in diesem Text: die „weiche Dorfgasse“, das Geräusch des „glucksenden Lehms“, sein Fluchen, die „Regentropfen“ auf seiner Haut, die Stimme der „alten Mariann“ und seine „innere Stimme “Ah mei! A was!“: Auge, Ohr, Haut, Zitate und Erkenntnis.
Reiners hat ihn zu Recht entdeckt, den Thoma.
Hör-Momente
Die „Versuchsanordnung“ ist wirklich simpel: Schließen Sie für drei Minuten die Augen, schalten Sie ab und hören Sie hin. Was haben Sie vorher an Geräuschen, Stimmen, Tönen wahrgenommen und was hören Sie jetzt? Versuchen Sie das „Klangbild“ zu notieren, um später entscheiden zu können, was davon für Ihre Geschichte nützlich ist.
Unser Ohr ist 24 Stunden geöffnet. Es ist ein „Warn-Organ“, das unaufgefordert versucht akustische Signale zu erkennen und zu prüfen: Aus welcher Richtung kommt der Schall? Welche Bewegung steckt dahinter? Besteht Gefahr oder nicht?
Das „Warn-Organ“ Ohr ist ein wirkungsvolles Mittel, um Spannung aufzubauen.
Sie liegen im Bett, der Regen trommelt auf das Dach ihres Hauses, irgendwo tropft ein Wasserhahn. Stehen Sie auf? Sie brauchen starke Nerven, um das „Plop, plop“ dauerhaft „über-hören“ zu können.
Oder: Sie versuchen einzuschlafen. Die Kinder liegen ein Stockwerk tiefer in ihren Betten. Es ist ruhig im Haus. Nein, da ist ein Geräusch – hört sich an wie das Quietschen einer Tür – eine Treppenstufe knarrt…
Bilderschrift für das Ohr
Malen mit Worten – wer konnte das besser als Georg Christoph Lichtenberg? Hier eine kleine Auswahl seiner plastischen Sprachbilder:
Es donnert, heult, brüllt, zischt, pfeift, braust, saust, summet, brummet, rumpelt, quakt, ächzt, singt, rappelt, prasselt, knallt, rasselt, knistert, klappert, knurret, poltert, winselt, wimmert, rauscht, murmelt, kracht, gluckset, röcheln, klingelt, blaset, schnarcht, klatscht, lispelt, keuchen, es kocht, schreien, weinen, schluchzen, krächzen, stottern, lallen, girren, hauchen, klirren, blöken, wiehern, schnarren, scharren, sprudeln –
Diese Wörter und noch andere, welche Töne ausdrücken, sind nicht bloße Zeichen, sondern eine Art von Bilderschrift für das Ohr.[5]
Abschalten, Fehlanzeige
Auf natürliche Weise ist das Ohr nicht einfach, wie Mund oder Augen, zu verschließen, doch haben wir gelernt es mit Musik zu verstopfen oder irgendwie abzuschalten. Der britische Autor Graham Green (1904 -1991) schildert, wie dieses Phänomen funktioniert und – im Subtext – wie es um die Beziehung zwischen ihm und seiner Frau steht.
„Er (Major Scobie) hörte nie zu, wenn seine Frau sprach. Sein Geist arbeitete beständig, während ihre Worte gleichmäßig dahinplätscherten; wenn aber ein Gefahrenzeichen ertönte, dann horchte er sofort auf. Wie ein Bordfunker, der einen Roman aufgeschlagen vor sich liegen hat, konnte er jedes andere Signal überhören, nur nicht das Codezeichen seines Schiffes und den SOS-Ruf… Er (Major Scobie) konnte sogar besser arbeiten, wenn sie redete, als wenn sie schwieg…Es war die Stille, die ihn aufhorchen ließ, die Stille, in der er vielleicht aufblicken und in ihren Augen Tränen sehen würde, die darauf warteten, von ihm bemerkt zu werden.[6]
Was uns berührt
Ist Ihnen bewusst, wie stark unsere Sprache von Empfindungen geprägt ist, die uns der Tastsinn vermittelt? Wir sind „ergriffen“ von etwas, das wir „begreifen“ können. Was uns wirklich „berührt“ sind Dinge, die uns „unter die Haut gehen“, wir lassen uns „erregen“, „aufwühlen“, „belasten“, wenn wir mit etwas in „Berührung“ kommen. Gibt es ein tieferes Wort als „Stillen“, wenn es um die Befriedigung der Bedürfnisse eines Säuglings geht?
Experimente haben gezeigt, dass ein Mangel an Hautreizen in den ersten Lebensmonaten zu Störungen der Emotionalität, Motorik und Wahrnehmung führt. Über unsere Haut erfahren wir Wärme, Zärtlichkeit, Schmerz und Liebe. Wir reiben uns die Augen oder kneifen uns, um uns zu vergewissern, dass wir nicht träumen, dass die Situation real ist, wirklich.
In der Pädagogik von Maria Montessori hat die haptische (gr. fühlbar) Wahrnehmung einen hohen Stellenwert: „Nichts geht in den Verstand, was nicht vorher in den Händen gewesen ist.“ Körperkontakt und Berührung dienen nicht nur unserer Welterkenntnis, auch unser Selbstvertrauen wird gestärkt, wir fühlen uns angenommen und lebendig. Berührung ist unsere prä-verbale Sprache, die wir noch verstehen, aber verlernt haben zu sprechen.
Der Mund und die Fingerkuppen sind die sensibelsten Regionen des Tastsinns (taktil = berührbar) und beherrschen noch am ehesten unsere „Körpersprache“. Nutzen wir sie, um Gefühle und Empfindungen auszudrücken.
„Wir setzen uns Seite an Seite aufs Bett, mit dem Rücken gegen die Kissen, im Schneidersitz, die Knie aneinander…Es ist kurz vor drei, Mick rutscht ein Stück tiefer, legt sich auf die Seite und schaut mich an, den Kopf auf einem Kissen. “Leg dich hin”, sagt er. “Du musst doch hundemüde sein. „Ich rutsche ebenfalls tiefer, bis wir nebeneinanderliegen, die Gesichter nah beieinander. Mick berührt mein Gesicht mit einer Fingerspitze, zieht eine Linie über meine Wange, übers Kinn, den Hals hinunter. “Du bist schön”, sagt er. (“Die Wahrheit über Alice”)[7]
Die Haut ist unser größtes Sinnesorgan, wir fühlen, bevor wir sehen können und dennoch – der Tastsinn ist das „Stiefkind“ bei der Erforschung der Sinne. Kein anderer Sinn kann uns so in Entzücken, Ekstase versetzen, wie das „Ge-Fühl“ gestreichelt zu werden. Eine Horrorvorstellung für Puritaner.
Stellen Sie sich bitte vor, Sie sitzen in ihrem Auto vor einer roten Ampel. Die Ampel wechselt von Rot auf Grün, aber Sie merken es nicht. Von einer Sekunde auf die andere sind sie erblindet, nichts ist mehr so wie es war. José Saramago erzählt eine solche Geschichte
„Einige Fahrer sind schon auf die Straße gesprungen, bereit, das stehengebliebene
Auto auf die Seite zu schieben, damit es den Verkehr nicht mehr behindert,
sie klopfen heftig gegen die geschlossenen Scheiben, der Mann im Auto wendet
ihnen das Gesicht zu, zu einem, dann zur anderen Seite, man sieht,
dass er etwas ruft, an der Bewegung seiner Lippen sieht man, dass er ein Wort
wiederholt, nicht eins, nein, in Wirklichkeit drei, wie man erfahren wird,
wenn endlich jemand die Tür öffnen kann, Ich bin blind.[8] („Die Stadt der Blinden“)
Aber wie ist das nun – “blind zu sein“? Inwieweit kann unser Tastsinn das Licht ersetzen? Kann man wirklich mit den „Fingerspitzen“ lesen; nicht nur Blindenschrift? Journalisten haben immer wieder versucht das herauszufinden. Auch Anja Streichan:
Duisburg (RPO). Nach vier Stunden bekomme ich Panik. Einen halben Tag wollte ich mit zugeklebten Augen verbringen, aber nach einem Drittel der Zeit halte ich es einfach nicht mehr aus. Ich stoße an, kann mich nicht orientieren, im Auto wird mir übel. Ich reiße mir die Pflaster vom Gesicht…
Mein Besuch in der Welt der Blinden beginnt am Morgen. Ich koche mir einen Tee. Langsam taste ich nach Wasserkocher, Tasse und einem Teebeutel – welche Sorte ich mir ausgesucht habe, versuche ich durch Riechen herauszufinden. Vorsichtig fühle ich mit dem Zeigefinger, wie viel heißes Wasser ich mir eingeschenkt habe…
Wie unangenehm es ist, unvermittelt angefasst zu werden, erlebe auch ich. Langsam und bedächtig möchte ich das Treppenhaus herabsteigen. Ich will mir diesen Ort mit steilen Ecken und Kanten selbst mit den Füßen ertasten. Stattdessen wird mein Arm gepackt und ich werde über die Stufen geführt – etwas zu schnell, etwas zu unsanft. Ich stolpere und taumle, kein schönes Gefühl…
(Der Blinde) Horst Schilbach kommt besser zurecht. Er kennt Tricks. Im Treppenhaus zur Sporthalle schnippt er mit den Fingern. „Durch den Hall kann ich mich orientieren“, erklärt er mir. Als ich versuche das nachzumachen, stolpere ich trotzdem über die erste Stufe und finde das Geländer nicht.“[9]. (aus Rheinische Post)
Streiten wir über Geschmack
Und dann noch dies: Wer nicht genießt, wird ungenießbar (Dr. Eckhart von Hirschhausen).
Haben Sie ihre Mahlzeit genossen? Beschreiben Sie doch bitte einmal kurz, was Sie gefrühstückt und zu Mittag gegessen haben. Wie hat es geschmeckt? Gut. Das ist leider keine ausreichende Antwort. Der eine findet „Eisbein“ gut, der andere ein Öl freies Salatblatt., Obwohl ein Erwachsener über 2000 bis 5000 Geschmacksknospen verfügt, ist es gar nicht so einfach, zu beschreiben, wie etwas geschmeckt hat.
Vielleicht hilft es für eine erste Definition, wenn wir uns erinnern, dass wir fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen können:
süß, sauer, salzig, bitter und umami,
den sogenannten Fleischgeschmack, von dem man erst seit einiger Zeit weiß, dass er proteinhaltige Lebensmittel kennzeichnet. Der japanische Forscher Kikunae Ikeda hat als erster diese Grundqualität des Geschmackssinns als „fleischig und herzhaft, wohlschmeckend“ (jap. umami) beschrieben.
Ein Forscherteam um Fabienne Laugerette von der Universite de Bourgogne in Dijon hat einen sechsten Geschmackssinn entdeckt: Glykoprotein CD36. Dieser Rezeptor steuert den Appetit auf fettreiche Kost. Zumindest bei Mäusen und Ratten.
Aber um das, was wir uns da „auf der Zunge zergehen lassen“ wirklich anschaulich zu beschreiben, bedarf es doch noch ein wenig mehr. Zum einen ist die „gustatorische“ Wahrnehmung eine emotionale Angelegenheit. Welche Erinnerungen fallen ihnen ein, wenn Sie an Spinat denken? Oder an Himbeereis, oder an Wackelpudding oder Bohneneintopf mit Birnen. Dem französischen Dichter Marcel Proust reichte ein Löffel Tee und ein Sandtörtchen, um sich in die Kinderzeit zurückzu„beamen“.
„Sie (die Mutter) ließ daraufhin eines jener dicklichen, ovalen Sandtörtchen holen, die man „Petites Madeleines“ nennt und die aussehen, als habe man dafür die gefächerte Schale einer Jakobs-Muschel benutzt. Gleich darauf führte ich, ohne mir etwas dabei zu denken, doch bedrückt über den trüben Tag und die Aussicht auf ein trauriges Morgen, einen Löffel Tee mit einem aufgeweichten kleinen Stück Madeleine darin an die Lippen.
In der Sekunde nun, da dieser mit den Gebäckkrümeln gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt blieb, hatte mich durchströmt. ..
Jahrzehnte später: Und mit einem Mal war die Erinnerung da…Der Anblick jener Madeleine hatte mir nichts gesagt, bevor ich davon gekostet hatte…; Doch wenn von einer weit zurückliegenden Vergangenheit nichts mehr existiert, nach dem Tod der Menschen und dem Untergang der Dinge, dann verharren als einzige, zarter, aber dauerhafter, substanzloser, beständiger und treuer der Geruch und der Geschmack, um sich wie Seelen noch lange zu erinnern, um zu warten, zu hoffen, um über den Trümmern alles übrigen auf ihrem beinahe unfassbaren Töpfchen, ohne nachzugeben, das unermessliche Gebäude der Erinnerung zu tragen.[10] (Marcel Prust)
Möglicherweise lag das auch daran, dass Proust eine „feine Nase“ hatte. Denn 80 Prozent des Geschmacks ist angeblich – Geruch. Die Geruchsteilchen des Essens ziehen durch die Nase und sorgen dafür, dass wir die Speise als besser, also schmackhafter empfinden.
Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe sagte: „Das Essen soll zuerst das Auge erfreuen und dann den Magen.“ Aber die Nase isst auch mit.
Die Zunge „erinnert“ sich
Ob man den Geschmack als angenehm oder als ekelerregend empfindet, darüber wird in der Großhirnrinde entschieden. Nach dem Genuss von Schokolade steigt im Gehirn die Endorphinen-Konzentration. Das sind Botenstoffe, die Glücksgefühle auslösen. Glücklich macht Schokolade angeblich, weil wir in unserer langen Entwicklungsgeschichte gelernt haben, dass süße Speisen energiereiche Kohlenhydrate enthalten. Umgekehrt haben wir auch gelernt, dass die meisten giftigen Pflanzen bitter schmecken, so dass man von extrem bitteren Speisen, möglichst die Finger lassen sollte.
Über Geschmack kann man bekanntlich streiten. Aber dass Menschen Geschmack objektiv wahrnehmen und beurteilen können, dürfte wohl ein Ammenmärchen sein. Selbst professionelle Vorkoster werden beim Test von den eigenen Erwartungen und der Optik der Objekte beeinflusst.
Aber das ist auch gar nicht unser Problem, wir wollen ja keinen Testbericht verfassen, sondern erzählen, wie wir (oder unser Held) eine Speise, ein Getränk genossen haben. Das Sinnliche, das Irrationale, das Emotionale sind unser Geschäft. Und Auslöser für solche Gemütszustände sind nun einmal Geruch und Geschmack.
Fassen wir zusammen: Mit allen Sinnen
Wer ein zwar fiktives, aber authentisches Bild zeichnen will, muss alle seine Sinne schärfen und sinnlich wiedergeben, was dieses Bild visuell, auditiv, olfaktorisch, haptisch und gustatorisch authentisch macht. Er muss die Sprache, inklusive Dialektfärbung und Eigenheiten, der handelnden Personen erfassen und nonverbale Reaktionen beschreiben können. So wie diese Autorin, die sich selbst in der Rolle der Beobachterin beobachtet hat:
„Ich bin nur Auge und Ohr, trete selbst ganz zurück, interessiere mich nur noch für das Ereignis und die Person, die darin eine Hauptrolle spielt. Dabei gibt es nichts, das nicht wichtig ist. Ich schreibe alles auf…Was gilt es festzuhalten? Die Umgebung, die Atmosphäre, die Äußerungen des Mannes oder der Frau, um die es diesmal geht; Was sie tragen, wie sie sich bewegen, was aus der Körpersprache abzuleiten ist, wie sie reagieren und was ich mir dazu denke…Als Beobachter schaue ich mit allen Sinnen auf das, was mich umgibt und was ich hierbei denke und tue“[11]
Sibylle Krause-Burger (Autorin u.a. FAZ, ZEIT, SWR).
Spickzettel I
Schreiben für alle Sinne
Was immer du schreibst – schreibe kurz, und sie werden es lesen, schreibe klar, und sie werden es verstehen, schreibe bildhaft, und sie werden es im Gedächtnis behalten.
Joseph Pulitzer (1847 – 1911), Stifter des „Pulitzer Preises)
„Von einem gut geschriebenen Text erwarten wir, dass er beim Leser eine Empfindung wachruft, nicht die Tatsache, dass es regnet, sondern das Gefühl klatschnass zu werden.“
Edgar Lawrence Doctorow, US-Autor
Der Mensch ist ein Augentier und nimmt die meisten Informationen über die Augen auf. Ein paar Stunden „Nachsitzen“ in der Sehschule hilft meist schon, um wieder zu lernen „Bilder“ wahrzunehmen, statt Begriffe für ein Bild zu registrieren.
Beispiel: Ihr Auge meldet dem Gehirn: Pferd vor mir, Wenn Sie nicht mehr wissen
wollen, gehen Sie weiter ihres Wegs. Wenn Sie jedoch an dem Pferd interessiert
sind, greifen Sie auf das reichhaltig Angebot ihres „Augen-Blickes“ zurück und
notieren Sie:
Schwarzes Pferd, glänzendes Fell, üppiges, natürlich gewelltes Haar an
Mähne und Schweif, das bis zum Boden reicht, Fesselbehang. Der Kopf ist
lang, schmal und wirkt imposant, stolz, ja fast ein wenig arrogant – ein Friese.
Je mehr Details Sie notieren, umso schneller lernt das Auge wieder „zu sehen. Also Augen auf und auf-schreiben. Es lohnt sich
Das Ohr hat einen 24-Stunden-Arbeitstag und versorgt uns mit lebenswichtigen Informationen. Wenn in ihrem Text nichts zu hören ist, sollten Sie ganz schnell an den Ort ihrer Geschichte zurückgehen (notfalls in Gedanken) und den „inneren Recorder“ einschalten. Kaum etwas ist so beängstigend und wirkt so leblos, wie ein Schauplatz in dem Menschen, Tiere, Natur und Maschinen verstummt sind.
Entfernen Sie also bitte ihren Knopf im Ohr und sperren Sie die Ohren wieder ganz weit auf. Manchmal müssen Sie dazu die visuelle Dominanz ihrer Sinne unterdrücken, indem Sie die Augen schließen und sich ganz bewusst auf ihre Ohren verlassen.
Diese Übung hilft auch beim Riechen und Schmecken. Das Bild, das Sie von der Umwelt zeigen, kann nicht authentisch sein, wenn der Leser nicht seine Nase in diese Umwelt stecken kann, wenn er nicht an Gerüche erinnert wird, die womöglich sein eigenes Bild geprägt haben.
Beim Essen urteilt die Nase darüber mit, ob wir das Gericht als schmackhaft oder fad empfinden. Also Augen zu und Nase auf. Und danach versuchen Sie sich bitte daran zu erinnern, was Sie gestern Abend gegessen haben und, wie es geschmeckt hat. Wenn es schlecht war, begründen Sie es bitte. Wenn es gut war, erst recht.
Unser größter Sensor ist die Haut. Daran sollten Sie sich nicht nur bei romantischen Erzählungen erinnern. Versuchen Sie festzuhalten, was Sie empfunden haben, als Sie morgens unter der kalten Dusche standen, als ihnen der Schweiß über den Rücken kroch, wie sich das Haar der Katze anfühlte, die sie gestreichelt haben. Oder was Sie empfanden, als Sie bei der Anprobe über den Stoff des Kleides strichen. Ok, die letzte Übung ist eher für die Damenwelt gedacht; Männer urteilen angeblich eher mit einem Passwort.
passt oder passt nicht. Und nur das ist wichtig.
Wie auch immer – je mehr Einzelheiten, Empfindungen, Gefühle Sie notieren, desto schneller lernen Ihre Sinnesorgane wieder ihre ganz individuellen, statt der industriell vorgefertigten Eindrücke zu erleben.
Dass Sie möglichst viele optische, auditive, olfaktorische, haptische und geschmackliche Eindrücke sammeln und aufschreiben sollen, heißt nicht, dass Sie auch alle diese Details ihrem Leser unterbreiten müssen. Sie sollen nur auf einen Fundus zurückgreifen können, der so umfangreich ist, dass Sie auswählen und dann authentisch beschreiben können, was typisch, charakteristisch, authentisch, entscheidend ist für ihre Geschichte.
Anregungen für Übungen I
Und jetzt mit allen Sinnen
Den ersten Teil haben Sie geschafft. Und das ist gut so.
Jetzt nehmen wir Ihren Text („Bevor wir anfangen“) einmal etwas genauer unter die Lupe.
1.1. Was haben Sie mit welchen Sinnen wahrgenommen und beschrieben?
Unterstreichen Sie mit sechs unterschiedlichen Farben, was Sie wie wahrgenommen haben.
Nutzen sie je eine Farbe für jedes Sinnesorgan
Also z.B. rot für die Augen, grün für die Ohren, blau für die Nase, gelb für die Zunge
und orange für die Haut.
Außerdem unterstreichen Sie bitte alles, was Sie im Wortlaut gehört (oder in indirekter Rede) niedergeschrieben haben.
Der Sinn der Übung besteht darin, sich bewusst zu machen,
wie Sie auf Ihre Sinnesorgane auf die Umwelt reagieren.
1.2. Jetzt wiederholen Sie bitte die Aufgabe. Also beschreiben Sie noch einmal, wie Ihr Tag war oder, wo sie wohnen, arbeiten oder welchem Hobby Sie frönen. Aber diesmal ganz bewusst mit „ausgeputzten Sinnen“. Versuchen Sie sich wirklich an möglichst viele Einzelheiten zu erinnern. Gehen Sie dabei Schritt für Schritt vor oder besser – Sinn für Sinn.
Bei dieser Übung kommt es darauf an möglichst viele Details zu erfassen. Dazu genügen zunächst Stichworte; ausformulieren können Sie das später.
1.2.1. AUGEN: Versuchen Sie sich noch einmal an die „Bilder“ des Schauplatzes zu erinnern. Welche Details fallen ihnen ein, um einem Fremden die Situation so anschaulich wie möglich „vor Augen zu führen“?
1.2.2. OHREN: , Ergänzen Sie ihre auditiven Eindrücke um weitere Details. Machen Sie sich Notizen für ein „Hörbild“ über den Schauplatz (Geräusche, Töne, Stimmen, Musik) und geben Sie wieder, was Sie an Gesprächen geführt oder an Sprachfetzen gehört haben. Achten Sie dabei auch auf Dialekte, Lautstärke und emotionale Elemente in der Stimme.
Tipp: Um wirklich ein „Hörbild“ malen zu können, hilft es die Augen zu schließen und
die Dominanz des Sehorgans zurückzudrängen. Lassen Sie ein paar Minuten lang
einfach die akustischen Eindrücke auf sich wirken
1.2.3. NASE – HAUT – ZUNGE. Ergänzen Sie – wie oben – ihren Text um weitere Details: Was genau haben Sie gerochen, was hat sich wie angefühlt? Wie ist der Boden?
Händedruck? Mobiliar? Stoffe? Andere Gegenstände? Temperatur etc.?
Was haben Sie gegessen oder getrunken? Versuchen Sie Geschmack und ihre
Empfindungen dabei zu beschreiben.
Natürlich werden Sie niemals eine Erzählung schreiben, die so prall mit sinnlichen Eindrücken gefüllt ist. Diese Menge an Einzelheiten erschlüge jeden Leser.
Der Zweck der Übung besteht vielmehr darin, die Sinne zu aktivieren, um einen Fundus anzusammeln, aus dem man schöpfen kann. Erst dann können wir die alles entscheidende Frage beantworten;
Welche Beobachtung, welchen Eindruck, welches Detail muss ich
wiedergeben, damit der Leser das Gefühl hat,
er stünde neben mir und nähme an meiner Erfahrung teil.
1.3. Zurück zur Aufgabe: Aus der Fülle von Notizen, Stichwörter und dem ersten Entwurf ihres Textes versuchen wir nun eine neue Fassung zu erstellen. Was ist wirklich wichtig? Was muss der Leser wissen, um die Situation zu verstehen?
Falls Sie gerade ein wenig verzweifeln – trösten Sie sich mit
Ernest Hemingway, der gesagt hat:
„Die erste Fassung ist immer Sch…“ Drastisch, aber wahr
Schreiben ist (leider) auch ständiges Überarbeiten und Neu-schreiben.
Nächste Folge<. Spannend erzählen
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Quellenverzeichnis
[1] Sol Stein „Über das Schreiben“, S. 238, Verlag Zweitausendeins, 2006
[2] Ingelore Ebberfeld „Körperdüfte – erotische Geruchserinnerungen“, Helmer Verlag
[3] Ludwig Reiners, „Stilfibel“, dtv, 1978
[4] Ludwig Thoma, „Der Wittiber“, 2. Kapitel (2012 zitiert nach Projekt-Gutenberg.de))
[5] G.C. Lichenberg, „Aphorismen“, S. 19, Insel-Taschenbuch, 1976
[6] Graham Green, „Das Herz aller Dinge“, rororo, 2009
[7] Rebecca James, „Die Wahrheit über Alice“,Verlag Wunderlich, 2010
[8] José Saramago, „Die Stadt der Blinden“, rororo, 1995
[9] Anja Streichan, Rheinische Post, 14.11.2011, „Mit Absicht blind“
[10] Marcel Prust, „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ suhrkamp taschenbuch, 2001
[11] Zitiert nach Michael Haller „Die Reportage“, Werkstattberichte S. 269, uvk,1997,
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