DDR : Aufbau und Machtverteilung

Beiträge zur Zeit- und Mediengeschichte – Folge 07

Die Reihe “Beiträge zur Zeit- und Mediengeschichte” ist als Ergänzung zum Buch gedacht

Etwa vier von zehn Deutschen (38 Prozent) wünschen sich mehr Informationen über die DDR. Das ergab eine Studie von Infratest im Auftrag der „Bundesstiftung zur Aufklärung der SED-Diktatur“ 25 Jahre nach Mauerfall. Bei den Jüngeren, der Gruppe der 14- bis 29jährigen, war das Interesse wesentlich stärker: 58 Prozent wollten mehr wissen über das „andere Deutschland“.

In Westdeutschland hatten die Menschen zwar Kerzen für die „Brüder und Schwestern in der Zone“ ins Fenster gestellt, um die Erinnerung an die Menschen in der sowjetisch besetzten Zone wachzuhalten, aber die DDR war wohl doch eher „Terra inkognita“, ein unbekanntes Land. Wir haben deshalb versucht, kurzgefasst die wichtigsten Institutionen des Landes aufzulisten. Wer hatte das Sagen in der DDR? Welche Rolle spielte die Partei? Wie war die SED organisiert und wie war das Volk an der Macht beteiligt? Die „Kleine DDR-Kunde“ hilft hoffentlich dabei, die Vorgänge jenseits der Demarkationslinie besser einzuordnen.

Inhalt

  • Doppelspitze statt Gewaltenteilung
  • Primat der Partei
  • Die Blockparteien
  • SED-Organisation: Parteitag – ZK – Politbüro
  • Der Generalsekretär
  • Volkskammer – Ministerrat – Staatsrat
  • Bezirke und Kommunen
  • Das Rechtswesen
  • Planwirtschaft
  • FDGB
  • Das Ministerium für Staatssicherheit
  • Zentraler Runder Tisch

Abstract

„Die Partei, die Partei, die hat immer Recht“ – das war nicht nur die Hymne der SED, das war die Realität in der DDR. Die Partei fällte die Entscheidungen, die Partei hatte die Macht und die Möglichkeit den Staat in ihrem Sinne zu führen. Die staatlichen Organe waren Erfüllungsgehilfen der SED. Die Sekretäre des Zentralkomitees (ZK) waren den Ministern gegenüber weisungsbefugt. Die anderen Parteien der DDR (Blockparteien) hatten sich dem Primat der SED zu unterwerfen. Ihre Aufgabe bestand vor allem darin, nicht proletarische Kreise an den Sozialismus heranzuführen.

Doppelspitze statt Gewaltenteilung

Die Spitze der DDR war zweigeteilt: Exekutive (Ministerien) und Partei (ZK, Politbüro).  Die Partei hatte das Sagen, die staatlichen Organe führten aus, was die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschland) beschlossen hatte. Eine Gewaltenteilung (wie in der BRD) gab es nicht. Es handelte sich also um eine klassische Ein-Parteien-Diktatur.

Die obersten Parteigremien der DDR mussten sich höchstens einer Macht beugen – der Macht der KPdSU, der kommunistischen Partei der Sowjetunion. Moskau entzog notfalls (wie beim Volksaufstand 1953) der SED die Regierungsgewalt.

Offiziell bezeichnete sich der zweite Staat auf deutschem Boden als „sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“ sowie als deutscher „Friedensstaat“, der die Wurzeln des Faschismus beseitigt habe. Auch das war ein Irrtum. Gerade im Osten gedieh die braune Brut.

Primat der Partei

Nach der Verfassung lag die Macht bei der SED. Artikel 1 normiert: “Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.”

Blockparteien

Neben der Einheitspartei existierten noch die sogenannten Blockparteien: u.a. die Christlich-Demokratische Union (CDU), die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). Die „Blockflöten“ (DDR-Jargon für die Blockparteien) „sangen“ zwar das Lied der SED, durften aber – gemäß ihrer Funktion – die Melodie an ihre jeweilige Zielgruppe anpassen. Ihre wichtigste Aufgabe war es schließlich, bei den nicht proletarischen Schichten und/oder den christlichen Milieus für den Sozialismus zu werben und diese Gruppen an den Staat heranzuführen. Als Dankeschön bekamen die Blockparteien jeweils einen Ministerposten in der Regierung.

Die Einheitspartei

Die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), entstand 1946 aus dem Zusammenschluss von SPD und KPD in Berlin. Die Einheitspartei hatte 1989 noch 2,3 Millionen Mitglieder. Im Februar 1990 wurde sie umbenannt in „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS). Heute heißt sie „DIE LINKE“, sitzt im Bundestag und hat rund 54.000 Mitglieder.

SED-Organisation

Auf den SED-Parteitagen, die alle fünf Jahre stattfanden, wurden die stimmberechtigten Voll-Mitglieder des Zentralkomitees (ZK) gewählt: rund 90 Personen. Außerdem gab es eine wechselnde Zahl von nicht stimmberechtigten Kandidaten für das ZK.

Zwischen den Parteitagen war das ZK das höchste Organ der Partei. Es tagte jährlich zwei- bis dreimal. Die bürokratischen Aufgaben erledigte ein Sekretariat aus rund 200 Funktionären und elf Sekretären, die verschiedene Sachgebiete vertraten und Mitglieder des Politbüros waren. Das ZK wählte das Politbüro. Das etwa 25-köpfige Machtzentrum mit dem Generalsekretär an der Spitze übernahm dann die Tagesarbeit des ZK. Hier wurden die wichtigsten staatlichen Maßnahmen behandelt: Gesetzesentwürfe, Regierungs- und Parlamentsarbeit. Für die offizielle Regierung der DDR, den Ministerrat, hblieb dann nur noch die Aufgabe, die Beschlüsse des Politbüros mithilfe der Ministerien umzusetzen.

Zusammenfassung

  • Der Parteitag wählt die Mitglieder des ZK (zuletzt rund 200 Personen)
  • Das ZK wählt die 25 Mitglieder des Politbüros
  • Das Politbüro wählt den Generalsekretär

Beim Generalsekretär lag also die größte Machtfülle in der DDR.  Offizielle Bezeichnung: Generalsekretär des Zentralkomitees der SED. Amtsinhaber waren:

Walter Ulbricht (1950 bis 1971)
Erich Honecker (1971 – 1989) und
Egon Krenz (18. 10. bis 03.12.1989)

In den Gremien galt strikte Parteidisziplin und ein Fraktions-Verbot.  Entscheidungen konnten nur einstimmig gefällt werden. Deshalb musste Honecker auch seiner eigenen Entlassung zustimmen.

Die Exekutive

Die Volkskammer

Formell war die Volkskammer der oberste Repräsentant des Volkes. Ein demokratisches Gremium war die Kammer allerdings nicht.  In ihr waren angeblich die gesellschaftlichen Gruppen vertreten, die nach einer vorher festgelegten Listen alle vier, ab 1971 alle fünf Jahre „gewählt“ wurden. Die Verteilung der Sitze der 500 Vertreter der Parteien und Massenorganisationen der DDR standen also schon vor der Wahl fest. Eine Opposition gab es nicht.

Die Nationale Front* legte eine Einheitsliste mit den Kandidaten für die Volkskammer fest. Und nur über diese Liste konnte von den rund 12,4 Millionen Wahlberechtigten (Volkskammerwahl 1986) abgestimmt werden. Die „Zustimmung“ lag bei 99,74 Prozent.

Wählen hieß in der DDR auch „Zettelfalten“, denn man konnte zwar theoretisch Namen auf der Liste streichen, aber empfehlenswert war das nicht. Schon die Benutzung einer Wahlkabine erregte oft das Misstrauen der Staatssicherheit.

Die Partei strebte eine möglichst hohe Zustimmung des Volkes an, um als demokratisch legitimiert zu gelten.

Die Volkskammer wählte die Judikative (Generalstaatsanwalt, oberstes Gericht), den Ministerrat und den Staatsrat.

Der Ministerrat

Der Ministerrat bestand aus dem Vorsitzenden und seinen Fachministern, die für die Planung und Leitung der verstaatlichten Wirtschaft zuständig sind.

Der Rat stellte formal das höchste exekutive Organ der DDR dar. In der Realität aber war er eher ein Erfüllungsgehilfe der die Gesetzesentwürfe und Beschlüsse der SED-Führung absegnen und ausführen durfte.

Die Sekretäre des ZK waren gegenüber den Ministern weisungsbefugt.

Letzter Vorsitzender des Ministerrates war Hans Modrow (November 1989 bis April 1990). Ihm folgte Lothar de Maizière als letzter Ministerpräsident der DDR.

Der Staatsrat

Völkerrechtlich vertreten wurde die DDR durch den Staatsrat, das formale Staatsoberhaupt.   Die nächsthöheren Repräsentanten waren der Vorsitzende des Ministerrates als Chef der Regierung und der Präsident der Volkskammer als Vorsitzender des Parlaments.

Der Staatsrat war 1960 – nach dem Tode des ersten und einzigen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck – geschaffenen worden. Über 20 Personen konnten dem Rat angehören. Deshalb der Name „kollektives Staatsoberhaupt“. In der Praxis fungierte allerdings meist nur der Staatsrats-Vorsitzende als Repräsentant der DDR. Der Amtsinhaber erfüllte seit 1974 überwiegend repräsentative Aufgaben, ähnlich wie der Bundespräsident in der BRD.

Staatsratsvorsitzende waren: Walter Ulbricht bis 1971, Willi Stoph bis 1976, Erich Honecker bis zum 24.10.1989, Egon Krenz bis zum 6.12.1989 und Manfred Gerlach bis zum 05.04.1990.

Verteidigungsrat

Auch dem „Nationalen Verteidigungsrat“ saß der Generalsekretär der SED vor. Dem Gremium gehörten ausschließlich SED-Mitglieder an. Der Rat hatte das alleinige Weisungsrecht gegenüber den zentralen Führungsbereichen und den Bezirksleitungen. Er war zudem für die „Grenzsicherung“ (Schießbefehl) an der innerdeutschen Grenze zuständig.

Bezirke und Kommunen

Das Land war in Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden eingeteilt. Ost-Berlin hatte den Rang eines Bezirkes. Insgesamt gab es damit 15 Bezirke, aus denen später die fünf neuen Bundesländer hervorgingen.

Dazu kamen 27 Stadt- und 191 Landkreise. Insgesamt gab es in der DDR 7.565 kreisangehörige Städte und Gemeinden.

Der Staat war streng zentralistisch aufgebaut. Die Verwaltung und die Parteiorganisation waren in 15 Bezirke (einschließlich Ost-Berlin) und 21 Kreise gegliedert. 

Der vom Bezirkstag gewählte Rat des Bezirks wurde von der SED-Bezirksleitung mit dem 1. Bezirkssekretär dominiert.

Eine Stufe darunter bei den Landkreisen und kreisfreien Städten war die Struktur identisch. Der vom Kreistag gewählte Rat des Kreises war der SED-Kreisleitung mit dem ersten Kreissekretär untergeordnet. 

Das Rechtswesen

Es gab weder eine Rechtswege-Garantie noch Verwaltungsgerichte, um staatliche Maßnahmen anfechten zu können.  Dafür konnten die Bürger Petitionen bei staatlichen Organisationen einreichen. Deren Entscheidungen waren allerdings sakrosankt, auch wenn sie eher willkürlich gefällt worden waren.

Die Richter des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwalt, wurden von der Volkskammer gewählt und konnten von diesem Gremium auch jederzeit wieder abberufen werden. Eine richterliche Unabhängigkeit war damit zumindest eingeschränkt.

Rechtsanwälte waren nicht unabhängig und hatten beispielsweise kein Akteneinsichts-Recht. Politisch Andersdenkemde mussten mit staatlichen Repressalien rechnen.

Im westlichen Sinne galt die DDR nicht als Rechtsstaat.

Planwirtschaft

Die zentral verwaltete Wirtschaft der DDR produzierte nach den Vorgaben von Fünf-Jahres-Plänen. Private Unternehmen waren größtenteils sozialisiert und durch Volkseigene Betriebe (VEB) und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) , Handelsorganisationen (HO) und Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) ersetzt worden.

Die Produktivität dieses Systems war geringer als die im Westen, aber es gab sichere Arbeitsplätze, Vollbeschäftigung und ein hoher Beschäftigungsgrad bei Frauen.

Preise und Warenangebot beruhten auf staatlichen Vorgaben. Ein umfassendes Subventions-System war die Folge und wohl einer der Gründe für den Niedergang der DDR-Wirtschaft. Dennoch kam es zu Lücken in der Versorgung mit bestimmten Lebensmitteln und gehobenen Konsumgütern.

In den 80er Jahren nahm die Staatsverschuldung dramatisch zu. Trotz westlicher Devisen blieb kaum noch Spielraum für Investitionen und Modernisierungen. Die Folge: Zunehmender Verfall von Bausubstanz und Industrieanlagen sowie eine oft gesundheitsgefährdende Umweltverschmutzung.  Das führte wiederum zu einer Verschlechterung der Versorgungslage.

Resignation und ein wachsendes Ausreise-Bedürfnis kamen hinzu, als sich die DDR-Oberen weigerten, auf den Reform-Kurs von Michail Gorbatschow einzuschwenken. Die Folgen sind bekannt.

FDGB

Freier Deutscher Gewerkschaftsbund mit 9,6 Millionen Mitgliedern in 15 Einzelgewerkschaften (aufgelöst 1990). Selbstverständnis der freien Gewerkschaften: „Sie nehmen die Interessen der Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz durch umfassende Mitbestimmung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wahr … Sie stehen fest zur SED und ihrem Zentralkomitee.“

MfS

Das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) war zugleich Nachrichtendienst und Geheimpolizei und fungierte als Regierungsinstrument der SED. Formal war es innerhalb des Ministerrats der DDR ein „Ministerium für bewaffnete Organe“.

Das MfS wurde 1950 gegründet und wuchs sich zu einem weitverzweigten Überwachungs- und Repressionsapparat aus. Es gab rund 91.000 hauptamtliche und bis zu 190.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM).

Die IM arbeiteten freiwillig (oder gezwungen) für die Behörde, ohne ihr offiziell anzugehören. Die IM waren die wohl wichtigste Stütze der SED-Diktatur und kamen aus allen Bereichen der Gesellschaft.

HVA: Die Hauptverwaltung Aufklärung war der Auslandsgeheimdienst der DDR.

Zum Aufgabengebiet des „Auslandsgeheimdienstes“ der Staatssicherheit gehörte vor allem die Bundesrepublik. Im „Operationsgebiet“ der HA II/2 wurden journalistische Vorhaben in der BRD „kontrolliert“. Dazu wurden in den Medien zahlreiche Spitzel platziert. 100 sollen es allein bei der ARD gewesen sein. (Quelle: Rotstift.archiv-bürgerbewegung.de, „Die Beobachtung und Kontrolle der West-Journalisten durch die Staatssicherheit“)

IPZ: DasInternationale Pressezentrum, Mohrenstraße, Berlin, war dem MfS angegliedert. Für die Beobachtung westdeutscher Journalisten war die Hauptabteilung II/13 zuständig, die wiederum zur Abteilung Spionageabwehr (HA II) gehört. Das IPZ war Ansprechpartner für sämtliche ausländischen Korrespondenten.

Die ständig zugelassenen „ausländischen“ Journalisten mit Wohnsitz in der DDR wurden von der Stasi nahezu lückenlos ausgespäht.

„Zentraler Runder Tisch“

Der 7. Dezember 1989 war ein wichtiger Tag in der Geschichte der Wende. An diesem Tag trafen sich Abgeordnete der DDR-Regierung und der Oppositionsgruppen zu ihrem ersten „Runden Tisch“.

Die Teilnehmer diskutierten über eine Machtteilung und die Durchführung von Wahlen.

Die 16. (und letzte) Sitzung des „Runden Tisches“ fand am 12. März 1990 statt.

Das Verdienst des „Runden Tisches“ war vor allem, dass es zu einem friedlichen Übergang von der Diktatur zur Demokratie kam.

Gerhard Specht, Berlin, 2023

*Mitglieder der Nationalen Front:

SED, DBD, CDU, LDPD, NDPD, FDGB, FDJ, DFD, KB, VdgB, DSF, das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer, die Volkssolidarität, PO, der Schriftstellerverband der DDR, Domowina, GST, URANIA, der Friedensrat der DDR, VKSK, der Verband der Konsumgenossenschaften der DDR, DTSB, das Solidaritätskomitee der DDR, DRK, KdT, das DDR-Komitee für Menschenrechte, der Blinden- und Sehschwachenverband, der Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband, der Verband der Theaterschaffenden, der Verband bildender Künstler, die Vereinigung der Juristen, der Verband der Jüdischen Gemeinden, die Liga für Völkerfreundschaft und die für die Vereinten Nationen, der Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler, der Verband der Film- und Fernsehschaffenden, der Bund der Architekten, der Verband der Journalisten und der Zentrale Ausschuss für Jugendweihe.