DDR: Die Presse und die Partei

Beiträge zur Zeit- und Mediengeschichte – Folge 06

Im Osten nichts Neues. Jedenfalls nichts im Vergleich zur Medienpolitik der Nazizeit. Die roten Machthaber in der DDR benutzten – genauso wie die braunen Diktatoren zuvor – die Presse als Instrument der Propaganda und der Indoktrinierung. Die Journalisten waren dabei Erfüllungsgehilfen, Agitatoren und Propagandisten des Systems. Warum uns das heute noch interessieren sollte? Funktion und Aufgaben der Medien sind in allen totalitären Staaten immer noch ähnlich gestaltet.

Inhalt

  • Presse: Instrument der Partei
  • Millionen-Auflage täglich
  • Lenin-Doktrin: Die schärfste Waffe
  • Nazi-Diktatur: Presse als Klavier
  • Funktion: Bewusstseins-Macher
  • Journalismus ist Chefsache
  • ZK-Sekretäre als Steuermänner
  • DDR-Verfassung: Grundsätzlich frei zur Zustimmung
  • Konsequenzen bei Kritik
  • Die Journalisten
  • Agitation und SED-Mitgliedschaft
  • ADN
  • Journalisten unter Kontrolle
  • BRD: Wächterfunktion – Lehren aus der Nazi-Zeit
  • Diplom-Journalisten aus dem roten Kloster
  • Kontrolle: Presseamt – Chefredakteurs-Konferenz – Zentrag – Verband – Schere

Instrument der Partei

Wer – wie die DDR – als Staatsziel die Heranbildung einer sozialistischen Persönlichkeit ausgibt, der braucht keine kritischen Journalisten, die ergebnisoffen recherchieren und unparteiisch berichten, der braucht Agitatoren, Propagandisten, Erzieher, die das hohe Lied der Partei singen. Folgerichtig definiert das „Wörterbuch der sozialistischen Journalistik“ das Berufsbild so: „Der sozialistische Journalist der DDR ist massenwirksames Instrument der Partei der Arbeiterklasse.“

Vielzahl statt Vielfalt: DDR-Presse

Das „Wörterbuch des sozialistischen Journalismus“ war Lehrbuch, Leitfaden und Lexikon zugleich. Es war das Standardwerk und Pflichtlektüre für alle Mitarbeiter in Presse, Rundfunk und Fernsehen der DDR.

Millionen-Auflage täglich

Nur wenige Staaten weltweit erreichten eine solche Pro-Kopf-Dichte an Presseerzeugnissen wie die DDR. Und das hatte einen Grund.

Zwischen Rügen und Karl-Marx-Stadt erschienen insgesamt 39 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von neun Millionen Exemplaren (Stand 1981). Allein das Zentralorgan der SED, das „Neue Deutschland“ (ND) brachte 1,1 Millionen Exemplare unters Volk. Von diesem Glanz ist nicht viel geblieben. Heute krebst das Blatt mit knapp 12.000 Exemplaren vor sich hin. Tendenz fallend.

Die 14 Bezirkszeitungen der SED kamen auf etwa fünf Millionen Exemplare. Hinzu kamen die ebenfalls von der SED herausgegebenen Tageszeitungen aus dem Berliner Verlag: Die Berliner Zeitung mit rund 400.00 Exemplaren und das einzige Boulevard-Blatt der DDR, die „BZ am Abend“ mit rund 200.00 Exemplaren.

Natürlich spielten auch die „Tribüne“, Organ des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) und die „Junge Welt“ der FDJ (Freie Deutsche Jugend) sowie das „Deutsche Sportecho“ die von der SED bestellte Musik. Tagesauflage dieser Publikationen: Fast zwei Millionen.

Damit blieb für die 18 Tageszeitungen der Blockparteien der gewaltigen Druckauflage nicht mehr allzu viel übrig: Rund 300.00 Exemplare.

Die schärfste Waffe

Mit ihrer geballten Pressemacht konnte die SED – zumindest theoretisch – fast jeden Haushalt des 16,6 Millionen -Staates erreichen und beeinflussen. Entsprechend hoch war der Stellenwert der Journalistik in dieser realsozialistischen Parteiendiktatur. Es galt Lenins-Doktrin: Die Presse ist die schärfste Waffe der Partei.

Auch die Generalsekretäre der Partei wussten um die Bedeutung der Massenmedien. Erich Honecker (1981): „Die Massenmedien spielen in unserer Zeit eine außerordentliche Rolle. Sie sind ideologische Kampfinstrumente in den Händen der Arbeiter- und Bauern-Macht.“

Und wofür Werden die Instrumente genutzt? Honecker: „Für Presse, Rundfunk und Fernsehen kommt es vor allem drauf an, die aktive Verbreitung unserer sozialistischen Ideologien, die innen- und außenpolitischen Informationen, die geistig-kulturelle Bereicherung und Unterhaltung im weitesten Sinne des Wortes als eine einheitliche Aufgabe zu verstehen und zu verwirklichen.“

Die Presse als Klavier

Der Propagandaminister der Nazi-Diktatur, Dr. Joseph Goebbels, hatte die Verfügungsgewalt des Staates über die Medien ähnlich, aber poetischer ausgedrückt: „Die Presse muss das Klavier sein, auf dem die Regierung spielen kann.“ Diesen Satz sagte Goebbels schon im März 1933, also kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Und wie die SED zu ihrer Zeit die Presse auf (ihre) Linie gebracht hatte, so waren die Medien im sogenannten Dritten Reich gleichgeschaltet. Wie eine freie Presse agiert, war also auf dem Territorium der DDR über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg nur bedingt zu erleben.

Funktion: Bewusstseins-Macher

Die sozialistische Einheitspartei der DDR (SED) verlangte von den Massenmedien vor allem die „Herausbildung, Entwicklung und Festigung des sozialistischen Bewusstseins des Volkes“ und die Vermittlung der „marxistisch-leninistischen Weltanschauung“.

Im ständigen Konkurrenzkampf mit dem Klassenfeind im Westen Deutschlands war der zweite Schwerpunkt die Bekämpfung der „bürgerlichen Ideologie im Denken und Verhalten aller Menschen“ sowie aller „Versuche ideologischer Diversion durch den imperialistischen Klassengegner“. 

Mit dem Begriff „ideologische Diversion“ wurden Straftaten ausländischer Saboteure bezeichnet.  Häufig wurden auch inländische Oppositionelle mit diesem Vorwurf belastet.

Journalistik ist Chefsache

Journalistik als Instrument im Rahmen der Umerziehung eines Volkes – das war Chefsache. Die Generalsekretäre der Partei standen – schreibt Gunter Holzweißig in seiner „Mediengeschichte der DDR“ – an der Spitze der Medien-Bürokratie.: „Sowohl Ulbricht als auch Honecker mischten sich nachhaltig…in die Medien-Lenkung ein.“

Ihre Erfüllungsgehilfen waren die jeweiligen ZK-Sekretäre für Agitation und Propaganda. Beispielsweise Joachim Herrmann, dem u.a. die Agitationskommission beim Politbüro und die ZK-Abteilung Agitation unterstand. Wir begegnen dem Namen später noch einmal bei den Chefredakteurs-Konferenzen des ZK-Sekretärs.

ZK-Sekretäre als Steuermänner

Zusammenfassung: An der Spitze der DDR-Presse stand das Politbüro der SED mit seinem Generalsekretär. Diesem höchsten Gremium unterstand die „Abteilung für Agitation und Propaganda““ des Zentralkomitees der Partei. In der Praxis bedeutete diese Hierarchie: Das ZK war direkt weisungsbefugt gegenüber der gesamten DDR-Presse; inclusive des Zentralorgans „Neues Deutschland“ und der Blätter der Massenorganisationen. Für die Zeitungen der Blockparteien war das Presseamt (dazu später mehr) zuständig, das wiederum dem ZK unterstellt war.

DDR-Verfassung: Grundsätzlich frei

Der Staat war der Partei Untertan, aber schon allein der Außenwirkung wegen, gab sich die DDR eine auf den ersten Blick freiheitliche Verfassung.

Artikel 27 der DDR-Verfassung von 1968 verspricht: „Jeder Bürger der DDR hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seiner Meinung frei und öffentlich zu äußern.“ Und weiter: „Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet.“

Der zweite Blick gilt dem Begriff „Grundsätze der Verfassung“. Und dazu gehören der „demokratische Zentralismus“ und die „führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei“ (Artikel 1)

Artikel 1: Die DDR ist „die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen.“

Frei für die Zustimmung

Das bedeutet, Meinungsfreiheit gilt nur, wenn der Grundsatz der Verfassung (Aufbau des Sozialismus unter „Führung der…Partei“) beachtet wird. Günter Holzweißig drückt es so aus: „Die Meinungsfreiheit ist demzufolge der SED untergeordnet.“

Kritik hat Konsequenzen

Eine weitere Einschränkung erfolgte durch das Strafrecht der DDR. Paragraf 106 behandelt den Tatbestand der „Hetze“ gegen den Staat.

Mit Freiheitsstrafen von einem bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer…

„die staatlichen, politischen, ökonomischen oder anderen gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR diskriminiert oder (Schriften oder Gegenstände) einführt, herstellt oder verbreitet oder anbringt.“

Repräsentanten oder andere Bürger der DDR oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert.“

Damit verhinderte das Strafgesetzbuch von 1968 praktisch jede Kritik an der SED, wenn man strafrechtliche Konsequenzen vermeiden wollte. Noch einmal Günter Holzweißig: „Sogar der Versuch einer oppositionellen Meinungsäußerung war strafbar.“

Die Journalisten

Das „Wörterbuch“ weist dem Journalisten in der DDR eine klare Aufgabe zu: „Er erklärt und begründet ständig die Inhalte und Ziele der Strategie und Taktik der Partei.“ Im Westen übernehmen PR-Leute solche Aufgaben für Betriebe, Parteien oder Behörden. In totalitären Staaten, wie der DDR, ist die „Tätigkeit von Presse, Rundfunk und Fernsehen ein wesentliches Element der politischen Massenarbeit.“ Daraus leitet sich die Grundaufgabe der Presse ab, nämlich „als kollektiver Propagandist, Agitator und Organisator zu wirken.“

Agitation

Was unter Agitation zu verstehen ist, weiß das „Wörterbuch“ selbstverständlich auch:

„A. ist die politische Darstellung, Erläuterung und Bewertung aktueller Erscheinungen, Ereignisse…mit dem Ziel, das revolutionäre Bewusstsein und die revolutionäre Aktivität der Volksmassen zu entwickeln.“

Redakteure: Ein Teil der Partei

Um den Beruf zufriedenstellend auszuüben, genügte es nicht, von außen auf die Partei und ihre Tätigkeit zu schauen, der sozialistische Journalist der DDR „kann seine Aufgabe als Führungsinstrument nur ausüben als Bestandteil der organisierten planmäßigen Parteiarbeit.“ Bei seiner Erziehungs- und Beeinflussungs-Aufgabe im Auftrag der SED wird er freundlicherweise von der „Partei und ihrer Organisation angeleitet“.

Die Partei wusste auch genau, worin sich sozialistische und westliche Journalisten unterscheiden. Nicht nur die „Klassenposition“ und die „Stellung und Funktion in der Gesellschaft“ machen den Unterschied, die Unterscheidung vom „bürgerlichen Journalisten ist „prinzipieller „Natur. Die grundlegenden Aufgaben des Bürgerlichen besteht darin die „bürgerliche Ideologie zu verbreiten, die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu verteidigen, die Menschen für die Ziele und Zwecke des Monopolkapitalismus zu manipulieren und den Sozialismus erbittert zu bekämpfen.“

Dabei seien die West-Journalisten abhängig von „ausbeuterischen Verlegern“, die sie zwingen „wider besseres Wissen Meinungen zu vertreten, die der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht entsprechen.“

Alles Agenten, oder was?

Die Führungs-Elite der SED scheint das „Wörterbuch“ verinnerlicht und für bare Münze genommen zu haben. Unabhängige, also regierungs-unabhängiger Journalismus? Unvorstellbar.

In der ARD-Stasi-Studie „Desinformationsagentur“, schreibt Dietrich Schwarzkopf: Die Stasi hat bis zum Ende der DDR ernsthaft geglaubt, die westdeutschen Medien würden zentral von der Bundesregierung gesteuert.  Die in Ost-Berlin akkreditierten Korrespondenten von ARD und ZDF hielt die Stasi „sämtlich für ausgebildete Geheimdienst-Agenten“.

Journalisten unter Kontrolle

Die Partei traute ihrem Volk nicht über den Weg, sie vertraute offenbar auch nicht wirklich ihrer Missionsarbeit – also warum sollten sie ausgerechnet ihren Medien trauen?

Folglich entwickelte sie eine Reihe von Kontroll- und Sanktionsmechanismen, um sicher zu gehen, dass alle Publizisten der Parteilinie folgten. Das reichte von der zentralen Ausbildung bis zum Druck durch den Berufsverband.

BRD: Ein freier Beruf

Wer im Westen Journalist werden wollte, war theoretisch an keine Vorgaben gebunden. Die Berufsbezeichnung war (und ist) nicht geschützt, der Weg in die Redaktion grundsätzlich auch für Seiteneinsteiger möglich.

Im Regelfall hat der Redakteur allerdings ein Volontariat und/oder einen der zahlreichen Journalistik-Studiengänge absolviert, bevor er sich als „Redaktionsmitglied“ ausgeben darf.

Lehre aus der Hitlerzeit

Dass der Zugang zum Journalistenberuf in der Bundesrepublik grundsätzlich offen ist, ruht auch auf den Erfahrungen aus der Nazi-Diktatur. Hitlers Schriftleitergesetz (1. Januar 1934) hatte den Zugang streng geregelt.

Nur Arier (also weder Juden noch Ausländer) wurden in die „Reichspresse-Kammer“ aufgenommen. Wem die Aufnahme verwehrt worden war, musste sich einen anderen Job suchen. Als Ablehnungsgrund galt schon, wer mit „einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet“ war. Außerdem erwartete   die Nazi-Diktatur ein klares Bekenntnis zur Partei.

Als Lohn winkte den Journalisten (jetzt Schriftleiter genannt) ein beamtenähnlicher Status. Linientreue Redakteure waren praktisch unkündbar. Verleger und Chefredakteure hatten im Streitfall keine Weisungsbefugnis den Nazi-Mitarbeitern gegenüber.

Der „Säuberungswelle“ in den deutschen Zeitungsredaktionen fielen geschätzt rund 1300 marxistische und jüdische Kollegen zum Opfer.

Wächterfunktion

Die Gesetzgeber in der Bundesrepublik verzichteten nach diesen Erfahrungen auf jede Regelung beim Zugang zum Journalismus. Selbst der Begriff „Pressefreiheit“ ist im Grundgesetz nicht weiter ausdefiniert oder an Voraussetzungen gebunden.

Frei von allen staatlichen Auflagen, sollte die Journalisten sein, im Idealfall möglichst objektive Berichterstatter und Wächter des freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaates.

Gerne benutzt die Branche den Titel „Vierte Gewalt im Staate“. Das zeugt von Selbstbewusstsein, ist aber m.E. maßlos überzogen.

Die Genossen in der DDR, die ja auf die gleichen Erfahrungen zurückgreifen konnten, knüpften dagegen nahtlos an das Vorgehen der Nazis an: Der Journalist wurde erneut ein Diener und nicht der Kontrolleur des Staates.

DDR: Diplom-Journalisten

In der DDR war die Bezeichnung „Journalist“ deshalb gesetzlich geschützt. Nur an der „Sektion Journalistik“ der Karl-Marx-Universität zu Leipzig oder an der Leipziger Fachschule für Journalistik des Verbandes der Journalisten der DDR konnte der Titel erworben werden. Die Fach-Schüler verließen Leipzig mit dem Titel „Journalist“, die Studenten der wissenschaftlich ausgerichteten Sektion schlossen als „Diplom-Journalisten“ ab.

Das rote Kloster

1954 wurde die journalistische Fakultät an der Universität Leipzig gegründet. Sie war die Kaderschmiede für die Publizisten des Staates. Die straffe ideologische Schulung, die permanente „Rotlicht-Bestrahlung“ trugen der Akademie bald den Spitznamen „Rotes Kloster“ ein.

Die Sektion, wie sie seit 1968 hieß, stand unter der direkten Aufsicht der Abteilung „Agitation und Propaganda“ des ZK der SED.

Entsprechend dem Anspruch „schärfste Waffe der Partei“ zu sein, war das rote Kloster personell und technisch vorbildlich ausgestattet: professionelle Hörfunk- und zumindest semiprofessionelle Fernseh-Studios ermöglichten eine gediegene Ausbildung in kleinen Gruppen.

Für die rund 400 republikweit sorgfältig ausgewählten Studenten eines Jahrgangs standen 80 Ausbilder zur Verfügung: Rein rechnerisch also ein Dozent für fünf Studenten.  Die überschaubare Gruppengröße   und die gegenseitige Kontrolle durch andere Kommilitonen und die Stasi, sorgten für ein hohes Maß an Konformität der Gruppe. Das Pflichtfach „Marxismus-Leninismus“ legte außerdem die ideologischen Grundlagen für den werdenden sozialistischen Journalisten.

Von 1954 bis 1990 absolvierten über 500 Studenten den einzigen universitären Studiengang für Journalistik in der DDR.

Zu den bekanntesten auch heute noch tätigen Absolventen gehören die Moderatorin Maybrit Illner (ZDF) und die Autorin und Ost-Europa-Expertin Sabine Adler (Deutschlandfunk).

Sprachregler Presseamt

Damit die Abgänger der Leipziger Journalistik-Schulen auch im Beruf auf dem „State of Art“ bei Agitation und Propaganda blieben, „half“ das dem Vorsitzenden des Ministerrates unterstellte „Presseamt“. Die Einrichtung vermittelte über Pressekonferenzen und Veranstaltungen für in- und ausländische Journalisten die Politik der Regierung. Sie vergab Akkreditierungen an Medienvertreter und – entzog sie auch wieder.

Wichtiger für den Alltag in den Redaktionen: Das Amt gab mehrmals pro Woche „Presse-Informationen“ heraus, die von allen Redaktionen bezogen werden mussten.

Hier wurden Vorgaben zur Behandlung aktueller Themen gemacht. Diese Sprachreglungen galten für die Presse, für Rundfunk und Fernsehen gleichermaßen. Die Einhaltung der Vorgaben wurde amtlich überprüft.

Der Medienwissenschaftler Heinz Pürer schreibt: „Auswertungsabteilungen beim Presseamt und beim ZK überprüften durch eine Nachzensur, ob die Redakteure deren (verantwortlichen Chefredakteuren) Anweisungen folgten.“  Der Chefredakteur riskierte Berufsverbot, wenn er mehrmals unangenehm auffiel. Das führte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer starken Selbstzensur.

Zudem hatte das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) in den Redaktionen verdeckt Mitarbeiter eingesetzt. Diese U-Boote gab es sogar beim Zentralorgan, dem „Neuen Deutschland“.

ADN

Den stärksten Einfluss auf die Medien der Deutschen Demokratischen Republik übte das „Presseamt“ naturgemäß über die Nachrichtenagentur ADN aus. Der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst“ (ADN) war dem Presseamt direkt unterstellt und für die Redaktionen die einzige Quelle für Informationen in Wort und Bild außerhalb ihres Verbreitungsgebietes.

Nur das „Neue Deutschland“ durfte Korrespondenten beschäftigen und andere Agenturen nutzen.

Der ADN selbst beschäftigte rund 1400 Mitarbeiter, die mit weltweit 60 Agenturen Nachrichten austauschten.

ADN nutze seine Monopolstellung auch dazu aus, die Informationen, die aus dem Ausland kamen, zu filtern und dem Wahrheitsverständnis der Partei entsprechend an Presse, Rundfunk und Fernsehen weiterzuleiten.

Die DDR leistete sich außerdem eine Auslandspresse-Agentur, „Panorama“, die das Ausland über das Leben im Staat, wie es die Partei sah, informieren sollte.

Konferenz der Chefredakteure

Schon die Nazis hatten die Chefredakteure ihrer gleichgeschalteten Presse wöchentlich zu einer Konferenz einbestellt auf der die Parteilinie, die Themenwünsche und die Sprachregelungen vermittelt wurden. Die SED führte diese Tradition bruchlos fort.

Auch die roten Machthaber erklärten den Führungskräften der Medien wie sie die Welt zu sehen und über sie zu berichten hatten. Dabei gab es auch Fälle unfreiwilliger Komik. Dieter Langguth (Chefredakteur „Junge Welt“) notierte nach einer solchen Konferenz das Ergebnis in seinem Tagebuch.

Joachim Herrmann, Leiter der ZK-Abteilung für Agitation und Propaganda“ , gab folgende Anweisungen:

  • Nichts über Bratwurst-Stände. Die Leute essen schon genug Fleisch.
  • Nichts über selbstgebaute Flugzeuggeräte. Sonst hauen uns die Leute ab.
  • Kein Protokoll-Obst auf den Tischen fotografieren. Sonst wird die Bevölkerung neidig.
  • Keine Fotos aus der Vogelperspektive oder wollt ihr Schuld haben, wenn der Fotograf von der Leiter fällt?

Der Spaß Faktor bei Verletzung dieser Vorgaben hielt sich allerdings in Grenzen.

Quantität oder Qualität?

Ob es wirklich ein Vorteil ist, wenn alle Chefredakteure auf Linie sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Tatsächlich sagt der Titel „Ein der weltweit höchsten Pro-Kopf-Zahlen“ an Presseprodukte noch nichts über die Vielfalt der Meinungen und Berichte in der Zeitungslandschaft Ost aus.

Alle Verlautbarungen des Staates, ja alle politischen Nachrichten oder Berichte über Wirtschaft und Gesellschaft fußten auf den Meldungen des ADN. Sie waren in den Bezirkszeitungen und den Zeitungen der Blockparteien bis auf Punkt und Komma identisch. Differenzierungen gab es allenfalls bei Berichten aus Sport und Kultur.

Im Grunde glich der DDR-Blätterwald – zumindest im überregionalen Teil – wie eine Birke der anderen. Das merkte der Leser allerdings erst, wenn er neben seiner Heimatzeitung auch die aus einem anderen Bezirk zu Gesicht bekam.

Sputnik guckt in den Mond

Mit Monopoleinrichtungen ist gut Druck zu machen. Ohne Papier und ohne Druckmaschinen kann keine Zeitung erscheinen. Die direkt dem ZK der SED unterstellte „Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft“ (ZENTRAG) verfügte über 90 Prozent der Druckkapazität, der Verlage und der Vertriebsorgane der DDR. Eine perfekte Organisation, um kritischen Blättern den Marktzugang zu entziehen.

Dieses Damokles-Schert hing vor allem über den Publikationen der Blockparteien und hielt sie – auch ohne direkte Drohung – auf Linie.

Über die „Postzeitungsliste“, mit der der Vertrieb publizistischer Erzeugnisse gesteuert wurde, konnte man außerdem bestimmen, welche Publikation den Leser erreicht. Wer nicht auf der Liste stand oder von ihr gestrichen worden war, , war faktisch nicht existent.

Das galt sogar für Blätter vom großen Bruder. Die deutschsprachige sowjetische Monatszeitschrift „Sputnik“ wurde von der Liste getilgt, weil ihre lockere Aufmachung ein begehrter Lesestoff, aber der Parteileitung ein Dorn im Auge war.

VDJ: Druck-Verband

Neun von zehn Journalisten bei Presse, ADN, Rundfunk und Fernsehen des anderen deutschen Staates waren Mitglied im „Verband der Journalisten“ der DDR“. Der VDJ „betreute“ die Kollegen von der Universität und der Fachschule in Leipzig, über das Volontariat bis in den Alltag.

Betreuung heißt hier Hilfe zum Verbleib auf dem rechten Weg. Nach seinem Selbstverständnis war der VDJ „ideologischer und fachlicher Erzieher der Journalisten“.  Bei der Erziehung halfen Weiterbildungsangebote und Treffen mit den Kollegen. Die Stasi und ihre U-Boote waren selbstverständlich immer mit an Bord.

Die Schere im Kopf

Permanente Kontrolle, die Angst vor Denunziation und/oder Verstößen gegen die Sprachregelung und die Gefahr, in der Produktion zu landen, also Berufsverbot zu erhalten – führten allzu oft zu einer Schere im Kopf. Risiko vermeiden, nicht auffallen – hieß die Parole.

Aber vielleicht machte gerade dieser permanente Druck, der Zwang zur Gleichförmigkeit, die „schärfste Waffe der Partei“ stumpf?

Die Monotonie der Berichterstattung, die Uniformität der Beiträge über Jugendweihen und Plan-Soll-Übererfüllung, die Selbstzensur der Journalisten und die phrasenhafte Sprache gingen zu Lasten der Glaubwürdigkeit und der Überzeugungskraft

 Günter Holzweißig behauptet in seinem Buch („Die schärfste Waffe der Partei. Eine Mediengeschichte der DDR“) sogar, die Medienpolitik der SED war schlicht und einfach verfehlt: „Sie hat ihrer (der SED) Herrschaft nicht nur nicht genützt, sie hat ihr nachhaltig geschadet.“ 

Gerhard Specht, Berlin 2023