Beiträge zur Zeit- und Mediengeschichte – Folge 03
Eine Grenze gegen das eigene Volk: Sie stehen sich gegenüber, kaum einen halben Meter voneinander entfernt und können sich doch nicht berühren. Zwei Frauen, Freundinnen vielleicht oder Schwestern. Beide haben ein Baby im Arm. Die Oberkörper sind vorgebeugt, die Finger der freien Hand ausgestreckt, aber die Hände greifen ins Leere. Zwischen den Frauen liegt eine kniehohe Stacheldrahtrolle und – ein unsichtbarer, unüberwindbarer Graben.
Das Foto hängt in der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. Es symbolisiert, wie die Verbindungen zwischen Familien, Freunden und Verwandten gekappt und die Menschen unbarmherzig und ungefragt feindlichen Blöcken zugewiesen wurden. Die Lebensadern Berlins wurden 1961 brutal zerschnitten, der Weg der Menschen zueinander mit Mauern und Stacheldraht blockiert.
28 Jahre sperrte die Mauer Ost-Berlin ein und machte West-Berlin zu einer Insel im „roten Meer“. Tod, Verletzungen, Strafen und Verluste waren mit der innerdeutschen Grenze verbunden. Der einzigen Grenze dieser Welt, die nicht Feinde aussperren, sondern die eigenen Bürger einsperren sollte.
Abtract
Vierzig Jahre lang teilte eine Grenze Deutschland in zwei Staaten. Auf knapp 1.400 Kilometern Länge errichtete die DDR-Grenzanlagen, die nach und nach zu einem Todesstreifen ausgebaut wurden.
Nirgendwo außerhalb Deutschlands gab es eine Grenze, die in erster Linie verhindern sollte, dass die Bürger aus ihrem eigenen Land flüchteten. Ähnlich hochgerüstet ist allenfalls die stark verminte Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea.
Die „Zentrale Beweismittel- und Dokumentationsstelle“ für Verbrechen in der DDR in Salzgitter hat 872 Todesopfer an der Grenze registriert. 872 Menschen, die versucht hatten, die innerdeutsche Grenze von Ost nach West zu überqueren. Andere Quellen gehen von etwa aus. Allein an der Berliner Mauer starben zwischen 1961 und 1989 (bis zum Mauerfall) 40 Menschen bei einem Fluchtversuch.
Die Berliner Staatsanwaltschaft als zentrale Behörde zur Verfolgung von DDR-Regierungskriminalität ermittelte insgesamt 270 nachweisbare Todesfälle an der innerdeutschen Grenze. Davon entfallen 237 auf Schusswaffen-Gebrauch oder sonstige Gewaltakte durch Angehörige der DDR-Grenztruppen und 33 auf Detonationen von Erd- und Splitterminen
Inhalt
- Die Innerdeutsche Grenze
- Die Grenze in Zahlen: Bezeichnungen, Länge, Verlauf, Chronik
- Ausbaupläne 1952 und 1961
- Flucht , Todesopfer und freiwillige Kontrolleure
- Grenzbereich: Die Sperrzone, Schutz- und Kontrollstreifen
- Schematischer Aufbau der Grenzsperren
- Reale Darstellung der Grenzanlage in Sachsen-Anhalt
- Splitterminen und ire Wirkung
- Grenztruppen
- Berliner Mauer
- Chronik, Mauerreste heute
- Aufbau der Grenzanlagen in Berlin
- Schematische Darstellung der Mauer
- Die Mauer in Zahlen
Chronik innerdeutsche Grenze
Im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 beschlossen die vier Siegermächte des 2. Weltkrieges (USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich) Deutschland in vier Zonen aufzuteilen. Aus der sowjetischen Besatzungszone wurde 1949 die DDR, die Bundesrepublik entstand im selben Jahre aus den von den Westmächten besetzten Zonen (Trizone). Gleichzeitig wurde Berlin nach demselben Muster geteilt. Ab 1961 trennte eine Mauer den Ost- von den drei Westsektoren.
Zunächst bezeichneten beide deutsche Staaten die innerdeutsche Grenze als Demarkationslinie. Umgangssprachlich wurde die „innerdeutsche Grenze“ auch als „Zonengrenze“, als deutsch-deutsche Grenze oder als „Demarkationslinie“ (scharfe Abgrenzung; negativ konnotiert) bezeichnet.
Nach dem Grundlagenvertrag von 1972 (DDR /BRD) wurde die Grenze auch völkerrechtlich als Trennlinie zwischen zwei Staaten anerkannt.
Die DDR galt jetzt offiziell auch in der Bundesrepublik als „Ausland“, ohne das die von der DDR eingeführte eigene Staatsbürgerschaft von Bonn anerkannt worden wäre. Die Bürger der DDR galten als „Deutsche im Sinne des Artikels 6 und 116 GG. Hier wird definiert, wer als Deutscher gilt und, wer „Schutz vor Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft“ (Artikel 116) genieß.
Stacheldraht und Minenfelder
Im Mai 1952 ordnete die sowjetische Besatzungsmacht die „Neuregelung der Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der DDR und Westdeutschland“ an. Zuvor hatte sich die 1949 gegründete DDR (vormals Sowjetische Besatzungszone, SBZ) durch einen einfachen hüfthohen Stacheldraht-Zaun von der BRD abgegrenzt.
Eine Mauer gegen Flucht
2,5 Millionen Menschen konnten bis August 1961 noch in den Westen flüchten. Dann wurde die Grenze hermetisch abgeriegelt. Der Grenzstreifen wurde gerodet und streng überwacht, der Eisenbahn-Durchgangsverkehr eingestellt.
Da die Massenflucht von Ost nach West nicht abebbte, zog Staatschef Walter Ulbricht die Konsequenzen. Er baute die innerdeutsche Grenze zu einer nahezu unüberwindlichen Barriere aus und errichtete eine Mauer in Berlin, um auch das letzte Schlupfloch zu verschließen.
Nach und nach entstand ein tödliches System an Sperren und Schussanlagen, die vor allem eines verhindern sollten – Flucht in den Westen. Schon der Versuch war strafbar. Der „unerlaubte Grenzübertritt“ war ab 1968 eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis sanktioniert werden konnte. Republikflucht mit allen Mitteln zu verhindern – dafür vor allem war die Staatssicherheit verantwortlich. Aber die Stasi hatte viele Helfer.
Freiwillige gegen Republikflüchtige
Republikweit wachten rund 5000 zivile Grenzsicherungs-Aktivisten freiwillig über das Geschehen in den Dörfern, Kreisen und Betrieben im Grenzgebiet. Die Überwachung schien so perfekt gewesen zu sein, dass – nach DDR-Angaben – fast 90 Prozent aller potenziellen Republikflüchtlinge schon weit vor der eigentlichen Grenze gestellt werden konnten.
Eine Karte über den Verlauf der inerdeutschen Grenze finden Sie beispielsweise unter diesem Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCnes_Band_Deutschland#/media/Datei:Karte_Deutschland_Gr%C3%BCnes_Band.png
Todesstreifen von Nord nach Süd
Die innerdeutsche Grenze verlief on der Lübecker Bucht im Norden zum Dreiländer-Eck Bayern/Sachsen/CSSR bei Hof/Coburg. Die DDR erstreckte sich von Rostock im Norden bis in die Bezirke Suhl, Gera und Karl-Marx-Stadt. Die Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern grenzten an die DDR an.
Ein tödliches System
Die Demarkationslinie war keine Linie, ein breiter Streifen systematisch angeordneter Barrieren zerschnitt das Land. Ein System, das beinahe todsicher jedem das Leben kosten würde, der es wagte diese Sperre zu überwinden.
Hinter dem Metallzaun, patrouillierten motorisierte Grenzsoldaten, lagen Minenfelder und lauerten beißwütige Hunde. Die Beobachtungstürme hatten Schießscharten, die Grenzsoldaten freies Schussfeld und –einen Schießbefehl.
Die Sperrzone vor der Grenze
Der eigentlichen Grenze vorgelagert war auf der DDR-Seite ein fünf km breites Hochsicherheits-Gelände, die sogenannte Sperrzone. Sie wurde 1952 im Zuge der „Maßnahmen an der Demarkationslinie“ und 1961 im Rahmen der Grenzsicherung und des Mauerbaues eingerichtet bzw. erweitert.
Von den hier lebenden rund 345.000 Menschen wurden 12.000 enteignet und zwangsweise umgesiedelt. Angeblich hatten sie sich als Fluchthelfer betätigt. Die Kommandonamen der Aktionen: 1952 Aktion Ungeziefer, 1961 Aktion Festigkeit.
Die „Maßnahmen an der Demarkationslinie“ bedeutete für mehr als 300 Dörfer und Städte zwischen Rhön und Ostsee die Verbannung in die Sperrzone. Die Interzonenpässe, die bisher einen grenznahen Verkehr ermöglicht hatten, wurden aufgehoben.
Die verbliebene Bevölkerung stand unter ständiger Überwachung. Ohne Sonderausweise ging kein Weg hinaus und hinein. Über die Jahre verfielen etliche Gemeinden im Sperrgebiet. Investiert wurde hier kaum noch. Betriebe wurden verkleinert, Kultureinrichtungen geschlossen.
Sperrzonenzulage“
Als Ausgleich für die massiven Einschränkungen bekamen die Bewohner des Sperrgebiets eine „Sperrzonenzulage“. Bis 1958 waren das zusätzliche Lebensmittelkarten, später gab es Lohnzuschläge, Steuererleichterungen und ein verbessertes Angebot an „Waren des täglichen Bedarfs“. Auf westlicher Seite versuchte Bonn mit der „Zonenrand—Förderung“ die Nachteile der Grenzlage zu mildern.
Schutz- und Kontrollstreifen
An das Sperrgebiet schloss sich ein 50 m breiter mit Stacheldraht gesicherter Schutzstreifen an, der planiert und von allem geräumt worden war, was die Sicht behindern konnte
Unmittelbar an en Schutzstreifen grenzte ein etwa zehn Meter breiter Kontrollstreifen. Auch er war gepflügt, um Fußspuren sofort erkennen zu können. Aus ihren Beobachtungstürmen hatte die Besatzung (zwei bis fünf Soldaten) freies Sicht- und Schussfeld. Neben ihren Waffen konnten die Grenzsoldaten auch über Signal- und Kommunikationsmittel sowie Suchscheinwerfer mit einem 360-Grad-Schwenkbereich verfügen.
Die Soldaten hatten den Befehl, jeden festzunehmen oder zu erschießen, der den „Todesstreifen“ unerlaubt betrat.
Die eigentliche Grenze
In der schematischen Darstellung waren die Grundelemente der innerdeutschen Grenze
in West-Ost-Richtung wie folgt angeordnet:
(1) Betonplatten-Wand (teilweise mit Rohr
oder (2) Oder Metallgitterzaun
(3) Kontrollstreifen 10 m breit mit (4) Beleuchtungsanlagen
(5) Kfz-Graben
(6) Vordere Begrenzung des Grenzpostens und Kolonnenweg (7)
(8) Führungsdraht Hundelauf-Leine
(9) Signalgerät und (10) Beobachtungsturm
(11) Kontaktzaun
Die zu diesem Aufbau gehörende Grafik finden Sie unter folgendem Link:
https://www.berlin.de/mauer/geschichte/bau-der-mauer/aufbau-der-grenzanlagen/
Reale Darstellung
So sah die innerdeutsche Grenze beispielsweise in Hötensleben/Sachsen-Anhalt aus:
Schon im Hinterland der Grenze patrouillierten Transport- und Volkspolizisten, um Fluchtwillige möglichst früh festsetzen zu können. Bahnhöfe wurden deshalb besonders intensiv kontrolliert.
An das fünf km breite Sperrgebiet schloss sich ein Schutzstreifen an, der zwischen 250 und 1500 m breit sein konnte. Dörfer oder Betriebe gab es hier nicht mehr Die engere Sperranlage wurde durch eine drei m hohe Sichtblende-Mauer (1) gebildet. Daran schloss sich ein Erdstreifen an, um Fußspuren erkennen zu können (2). Es folgt der Sicherungs- und Signalzaun und die Trasse für die Hunde (3,4)
Das dazwischen liegende Gelände war ein beleuchtetes Schussfeld, das den Grenzern freie Sicht gewährte. Am Rande die „Führungsstelle“ des Grenzabschnittes (6 bis 8). Der „Kolonnenweg“ (9) aus Betonplatten wurde von den motorisierten Grenzern genutzt. Ein weiterer Erdstreifen (10) diente zur Erkennung von Fußspuren. Daneben sind Panzerhöcker (11) und ein Wassergraben (12) als Kfz-Hindernis installiert. Es folgt die 3,4 m hohe Grenzmauer (13) oder der Grenzzaun aus Steckmetall (14) Und schließlich das vorgelagerte Hoheitsgebiet mit der Grenzsäule der DDR.
Die zugehörige Grafik finden Sie unter diesem Link: https://www.grenzdenkmal.com/seite/5206/grenze-h%C3%B6tensleben.html
Grenze in Zahlen
Die DDR hatte 870 km Grenzzaun verbaut. Über 600 km davon hatten zusätzlich einen Kfz-Sperrgraben. Aus 434 Beobachtungstürmen kontrollierten die Soldaten den Grenzverlauf. Insgesamt soll die DDR 1,3 Millionen Landminen verlegt haben.
Ab 1971 wurden auf einer Länge von 450 km 71.00000 Splitterminen SM 70 an dem vorderen Metallgitter-Grenzzaun platziert. Die innerdeutsche Grenze hat insgesamt eine Länge von knapp 1.400 Kilometern.
In einem Bericht des „NDR“ aus 2021 wird die Funktion der Splittermine „SM 70“ so beschrieben:
„Die Splitterminen sind stets auf DDR-Gebiet am Grenzzaun angebracht. Der Minenkörper besteht aus einem dünnwandigen Aluminium-Blechkegel, gefüllt mit dem Sprengstoff TNT und mindestens 100 Stahlgeschossen, die einen Durchmesser von gut vier Millimeter haben. An jeder „SM 70“ sind drei horizontale Drähte angebracht. Der obere und der untere sollen verhindern, dass Vögel den Mechanismus auslösen. Wird der mittlere Draht beim Versuch, sich dem Zaun zu nähern oder ihn zu übersteigen, berührt oder durchtrennt, schließt sich ein Stromkreis: Es kommt zur Explosion, die Stahlsplitter werden mit großer Wucht verschossen. Zugleich alarmiert ein Signal die Grenztruppen. Die Geschosse können bis zu 120 Meter weit fliegen. Auch Verletzungen an Armen oder Beinen können tödlich sein, da die Opfer verbluten.“
Um die Flucht ihrer Bürger zu verhindern, war der DDR kaum etwas zu teuer. Die Installation der Splitterminen kostete den finanziell klammen Staat je Kilometer Staatsgrenze etwa 100.000 DDR-Mark. An der Grenze rund um West-Berlin gibt es keine Selbstschussanlagen
1984 baute die DDR die Selbstschuss-Anlagen ab und sprengte die Landminen. Ob ein Milliardenkredit aus der BRD der Grund für den Abbau war oder ob Honecker nicht noch mehr international geächtet werden wollte, ist strittig. Vielleicht waren beide Gründe ausschlaggebend.
Transitstrecken und Übergänge
Erst 1973, nach Abschluss der Innerdeutschen Verträge, wurde die Grenze etwas durchlässiger. Neben den Transitstrecken nach Berlin wurden weitere Straßengrenzübergänge geöffnet, um einen „grenznahen Verkehr“ zu ermöglichen. Von 58 grenznahen Stadt- und Landkreisen aus der Bundesrepublik konnte man nun einen Tagesaufenthalt in 54 grenznahen Kreisen in der DDR planen – selbstverständlich nur von west nach Ost.
Grenzpersonal
Etwa 30.000 bis 40.000 Soldaten der Grenztruppen der DDR waren an der Demarkationslinie stationiert. Bis zum April 1989 hatten sie den Befehl, Fluchtversuche auch mit Todesschüssen zu unterbinden. Dafür gab es in den Wachtürmen häufig Schießscharten, die die Besatzung (die bis fünf Soldaten) nutzten.
Die Berliner Mauer
Systematisch hatte sich die DDR gegen den Westen abgeriegelt. Um jeden Preis sollte die Flucht ihrer Bürger in den Westen verhindert werden. Wer es dennoch versuchte, riskierte sein Leben.
Auch die Berliner Außengrenzen waren durch einen Ring ähnlich gesichert worden wie die Demarkationslinie durch Deutschland. Lediglich die Übergänge vom Ostsektor der Stadt in die drei Westsektoren waren als letztes Schlupfloch noch offen.
Am 13. August 1961 schloss die DDR auch diesen Fluchtweg. Eine 156,4 km lange, Mauerverhinderte den unkontrollierten Übergang von Ost nach West. Das Monstrum – im Osten „anti-faschistischer Schutzwall“ genannt – war zwischen zwei und drei Meter hoch und stand auf einem zwischen 15 und 150 Meter breiten Grenzgelände. Es trennt Familien und Freunde, Nachbarn und die gewachsene Infrastruktur einer Millionenstadt.
Die Mauer wurde zum Symbol des Kalten Krieges, zum Monument der Unmenschlichkeit. Die Bilder von Ost-Berlinern, die aus ihren Fenstern sprangen, um in den Westen zu gelangen, gingen rund um den Globus.
Am Checkpoint Charlie standen sich Panzer aus Ost und West auf Geschossrohr-Höhe gegenüber und hielten sich und die Welt im Gleichgewicht des Schreckens. Jede Seite hatte, die Macht und die Mittel sich und die Welt zu vernichten.
Es dauerte 28 Jahre, bis diese Mauer, im übertragenen Sinne, einstürzte und ihre Betonplatten als Souvenirs für den Irrsinn des Kalten Krieges wurdem, der – zumindest an dieser Stelle – nie zu einem heißen Krieg geworden war.
Heute stehen am Checkpoint Charlie zwar noch immer die Schilder „Achtung, Sie verlassen den amerikanischen Sektor“, aber von der Mauer sind nur noch der Kontrollposten und ein paar in die Straße eingelassene Pflastersteine, die den Verlauf des Monstrums anzeigen.
Heute vermittelt nur noch die Gedenkstätte Bernauer Straße einen Eindruck vom Querschnitt der Barrikade mit Hinterland-Mauer, Todesstreifen und der eigentlichen Mauer.
Zwischen dem Berliner Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke findet sich das längste noch erhaltene Teilstück der Mauer – die 1,3 Kilometer lange East-Side Gallery. Das Bild vom sozialistischen Bruderkuss zwischen Honecker und Breschnew ist nur eines von zahlreichen Werken, die hier weit über 100 Künstler Am Spreeufer gestaltet haben.
Ausbau der Mauer
Auch die im August 1961 errichtete Mauer konnte die Fluchtbewegung nicht vollständig stoppen. Die Grenzsperren wurden deshalb schrittweise perfektioniert bis aus der Mauer eine komplexe, tief gestaffelte Barriere geworden war.
Mitte der 50er Jahre wurde ein gleichförmiger Grenzstreifen angelegt, für den auch Wohnhäuser abgerissen wurden. Die Grenzsoldaten sollten freies Sicht- und Schussfeld erhalten.
In den 70er Jahren errichtete das SED-Regime eine zweite Mauer. Diese „Hinterland-Mauer“ schloss den -Grenzstreifen zu Ost-Berlin bzw. zur DDR ab. Auch dieses Bauwerk diente nicht dem Schutz vor Feinden, sondern verhindern, dass dem Staat die Bevölkerung davonlief.
Wer jetzt flüchten wollte, musste seit Anfang der 80er Jahre also zunächst die „Hinterland-Mauer“ überwinden und dann den Signal-Zaun übersteigen Bei Berührung wurde ein Alarm bei den Grenzsoldaten in den Beobachtungstürmen ausgelöst. ‘Am Fuß des Zaunes lagen Dornenmatten mit nach oben weisenden Stahl-Nägel.
Wer auch das geschafft hatte, musste jetzt den Kolonnenweg und Kontrollstreifen durchqueren. Hier waren oft auch Fahrzeugsperren installiert, die eine Flucht mit Pkw oder Lkw verhindern sollten. Außerdem waren sogenannte Stahligel verlegt (mit Stacheldraht verbundene Eisenbahnschienen) oder Sperrgraben ausgehoben worden.
An einigen Stellen im Verlauf der Grenze gab es Hundelauf-Anlagen. Die sogenannten Trassen-Hunde sollten die Flüchtenden attackieren und die Grenzsoldaten allarmieren. Als letztes Hindernis wartete dann die 4,60 Meter hohe Grenzmauer.
Nachts wurde der Grenzstreifen hell erleuchtet. Außerdem sorgten die weiß gestrichenen Innenflächen der beiden Mauern dafür, dass Personen für die Besatzung der Beobachtungstürme gut zu erkennen waren. Die Wachtürme waren im regelmäßigen Abstand von 250 Metern errichtet worden.
Martialisch anmutende Sperrmittel wie Dornenmatten, Bunker und Fahrzeugsperren wurden in den 80er Jahren möglichst vermieden. Die DDR wollte vermeiden, dass schon an der Grenze der Eindruck entstand, die „Demokratische Republik“ sei ein streng bewachtes Gefangenenlager. Allerdings war die Grenzanlage mittlerweile auch so perfektioniert worden, dass man auf solche Hindernisse verzichten konnte.
Eine Grafik mit der schematischen Darstellung der Berliner Grenzanlagen 1989 finden Sie unter diesem Link:
Quelle: Haack Weltatlas, Verlag: Ernst Klett Verlag GmbH, Ort: Stuttgart und Gotha
Quellendatum: 2009
Schema der Berliner Grenzanlage 1989
Östliche Begrenzung war die Hinterland-Mauer davor in westlicher Richtung ein Erdgraben und der Signalzaun, es folgten Flächen- und Höckersperren sowie der Beobachtungsturm. Der Lichttrasse schloss sich der Kolonnenweg (Arbeitsweg der Grenztruppen) und der gepflügte Kontrollstreifen (Spurensicherung) an. Die Abkürzung „K 6“ bedeutet Kontrollstreifen. Fünf Meter vor der Mauer zum Westen lag noch die Kfz-Sperre.
Unüberwindlich war die Grenze dennoch nicht. Zumindest nicht für die Mitarbeiter des Zentralkomitees der SED und Stasi. Die entsprechenden Abteilungen nutze eine große Zahl geheimer Schleusen, die in die Sperranlage eingebaut worden waren.
So konnte man Personen von den Westmächten unbemerkt in die DDR ein- und ausschleusen. Genutzt wurde das beispielsweise für SED- oder bundesdeutsche KPD-Funktionäre. Auch Bargeld oder Propagandamaterial konnte auf diesem Weg „rüber machen“.
Das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) unterhielt solche „operativen Grenzschleusen“ für nachrichtendienstliche Aktionen. Bekannt wurde etwa die Agentenschleuse im Bahnhof Friedrichstraße.
Die Glienicker Brücke zwischen West-Berlin und Potsdam durfte dagegen nur von Angehörigen der Alliierten genutzt werden. In Potsdam residierte die Militärmission der drei Westmächte für die DDR.
Die Mauer in Zahlen
Gesamtlänge der Grenze zu West-Berlin 155 km
Innerstädtische Grenze Ost-/West-Berlin 43 km
Grenze West-Berlin und DDR (Außenring 112 km
Grenzübergänge Ost- /West-Berlin
(Straße und Schiene) 8
Grenzübergänge West-Berlin zu DDR 6
Beobachtungstürme 302
Bunker 20
Hundelaufanlagen 259
Kfz-Sperrgräben 106
Quelle: Stand 31.07.1989, Lapp/Ritter, Die Grenze, 1997
Gerhard Specht, Berlin, 2023